Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Europa ist in der Zukunft zu einer Megastadt geschrumpft, umgeben von einer postapokalyptischen Landschaft aus Müll – Proto. Mikroplastik mit Sand vermischt türmt sich zu Dünen auf und bizarre Skulpturen aus Plastiglomerat stechen in den trüben Himmel. Die Menschen flüchten vor der Realität in virtuelle Welten, verbringen ihre ganzen Leben dort. Doch als eine dieser Welten, Proxi, zerstört wird, wagen sich Tell, Kawi und die Biosynth Dion hinaus in die surreale Weite von Proto. Ihr Ziel: der geheime Server, auf dem das Backup von Proxi liegt. Tell und Kawi wollen ihre Leben zurück – doch will Dion das auch? In Proto erwartet sie neues Leben und so manche Überraschung …
CN: Agoraphobie, Gaming Disorder, Postklima, VR-Kalypse
Platzierung im Vormonat (1)
Eine Welt, in der Zeit das kostbarste Gut ist, eine Welt, die so magisch und episch ist, dass man sogleich dort hineintauchen möchte: Averie lebt in dieser Welt und möchte Sturmjägerin werden. Sie trainiert hart mit ihrem Pegasus, bis eines Tages ihre alte Flamme Atticus aus einer anderen Stadt zurückkehrt und alles aus der Bahn wirft. Nicht nur muss sie ihre eigene Gefühlswelt ordnen, sondern landet unvermittelt mitten in einer Verschwörung, die den Menschen all ihre Zeit stehlen will und somit den Untergang der Welt herbeiführen könnte. Welche dunklen Kräfte sind da am Werk? Und kann Averie im Zeiten-Spiel gewinnen oder wird sie selbst zur Spielfigur?
Platzierung im Vormonat (10)
Drei ungleiche Helden machen sich auf, einen Naga zum Großtempel Hainsha zu geleiten: der alte Kämpe Kaygon Draka mit seinem Zweiklingenschwert, der immer zu Scherzen aufgelegte Dokebi Bihyung mit seinem Reitkäfer Nanui und der gigantische Lekon Tinahan, der den Kopf eines Hahns hat. So fremdartig wie diese Wesen ist auch die Welt, in die Lee Young-do die Lesenden entführt. Zwar klingen immer wieder vertraute Motive an, doch ist diese Fantasy aus Korea erfrischend anders. Faszinierend bis zum Schluss!
CN: Blut, Bodyhorror, Kannibalismus, körperliche & psychische Gewalt, Mord, sexualisierte Gewalt
Platzierung im Vormonat (3)
In den Geschichten von Becky Chambers geht es normalerweise nicht um die Handlung. Es geht um die Figuren, ihr Denken, ihre Eigenheiten und ihre Welt. So auch in ihrer neuen Reihe „Dex und Helmling“, die jetzt auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Die Reihe spielt in einer Welt, die zur Hälfte den Menschen gehört und zur Hälfte der Natur überlassen ist. Wir verfolgen Dex, einen nicht-binären Mönch, ser sich entschließt, mit einem Teewagen über die Dörfer zu reisen und den Menschen dort die Gelegenheit zu geben, die Ruhe zu genießen. „Ein Psalm für die wild Schweifenden“ erzählt eine einfache kleine Geschichte ohne Konflikte oder Gefahren. Es überzeugt mit schöner Sprache, einem Blick für Details, faszinierendem Worldbuilding, komplexen Figuren und einem extrem spannenden und wichtigen Perspektivwechsel.
CN: Sklaverei, Spinnen
Platzierung im Vormonat (5, 09/24)
Die Biologin Ha Nguyen soll auf dem abgeriegelten Con-Dao-Archipel eine Oktopus-Spezies erforschen. Dort trifft sie auf den Androiden Evrim, Projektleitung und Hochleistungs-KI des Tech-Konzerns DIANIMA. Doch es ist nicht nur die mongolische Sicherheitskraft Altantsetseg, die sie mit Argusaugen beobachtet. Während sich Ha an das Verstehen der Oktopoden herantastet, zieht sich das Netz derjenigen immer enger, die sich den Archipel aneignen wollen mit allem, was er birgt. Virtuos und spannend lotet Nayler die Grenzen des menschlichen Bewussteins aus – ein Ökothriller mit viel Nachhall.
CN: Blut, körperliche & psychische Gewalt, Mord, Sklaverei, Tod
Platzierung im Vormonat (2)
Die titelgebende Lulabelle Rock ist der dreizehnte Klon einer bekannten Filmschauspielerin, der vom Original den Auftrag erhält, alle vorangehenden Klon-Schwestern umzubringen. Ein morbider PR-Gag, der den sinkenden Stern des Starlets wieder zum Erstrahlen bringen soll. Abgründige Sci-Fi-Parodie, die gar nicht wie geklont, sondern sehr originell daherkomm.
Platzierung im Vormonat (5)
Mina ist nun offiziell die Hüterin des Schulhaus am Ende der Galaxis. Doch das heißt nicht, dass ihr Leben jetzt weniger trubelig wäre. Im Gegenteil: Sie muss eine Botschaft ihrer verstorbenen Großmutter enträtseln, lernen mit ihrer Magie umzugehen, intergalaktische Streitigkeiten schlichten und sich mit ihrer biologischen und ihrer Wahlfamilie auseinandersetzen. Spannende und unterhaltsame Fortsetzung der cozy Urban Fantasy Reihe, die auch dieses Mal nicht mit Humor und Tiefgründigkeit geizt.
CN: Alkoholkonsum, Atemnot, Brandwunde, Eingesperrt sein, Emeto, Emeto, Fall aus großer Höhe, Gewalt, Tod, Trauer, unter Wasser sein
Platzierung im Vormonat (-)
In Band 2 der Wortweberin muss Chiara feststellen, dass sie belogen wurde und steht ihrem ehemaligen Geliebten als Tochter des schlimmsten Feindes gegenüber. Der Krieg zwischen den beiden Nachbarländern spitzt sich auch zu und Chiara muss sich entscheiden, auf wessen Seite sie stehen will, wäre da nicht ihre Familie, die sich mittlerweile in der Gefangenschaft des Königs befindet. Auch dieser Teil besticht mit rasantem Tempo, einigen überraschenden Enthüllungen und Intriegen.
Platzierung im Vormonat (-)
Ein progressiver SF/Splatterhorror, der seinesgleichen sucht: Wir begleiten die zwei trans Frauen Beth und Fran in einer postapokalyptischen Welt, in welcher CIS Männer aufgrund eines Virus zu fressenden, gewalttätigen Sexzombies mutiert sind und durch die Gegend rotten. Diese Männerzombies sind eine Gefahr und ihre Testikel gleichzeitig eine notwendige Jagtbeute zum Überleben einiger Menschen. Daneben gibt es die Legionen der TERF CIS Frauen, die nazihaft Jagd auf alle trans Personen machen, um diese auszulöschen. Neben der spannenden Welt zeigt der Roman eindrücklich die Herausforderungen und Probleme von trans Personen in unserer jetzigen wie auch in der gezeichneten postapokalyptischen Welt auf. Ein Must Read nicht nur für Horrorfans!
Platzierung im Vormonat (-)
Paul Lynchs dystopischer Near-Future-Roman ist eine Mischung aus Kafka und Paul Auster, die wie eine unaufhaltsame Katastrophe die Lesenden haltlos zurücklässt: Irland ist keine Demokratie mehr und schafft mit faschistischen Notverordnungsgesetzen, Folterkellern und Abschaffung von Grundrechten eine permanente Atmosphäre der Angst. Die Protagonistin Eilish ist heillos überfordert und bangt um das Leben ihres Mannes und ihrer Kinder. Doch was tun am Rande der Ausweglosigkeit? Lynchs Roman ist ein eindringliches Warnzeichen der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen und hat nicht grundlos den Booker Prize erhalten.
CN: körperliche & psychische Gewalt, Sexismus, Verlust von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (-)
Schreibe einen Kommentar