Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.

“When Women were Dragons” schildert die Geschichte der jungen Alex, die sich nach einem großen Drachenwandeln, bei dem Frauen sich in die Fabelwesen verwandelten und ihre Familien zurückließen, in der neuen Realität zurechtfinden muss. Kelly Barnhill behandelt in ihrem Alternative-History Werk wundervolle Themen wie Found Family und Coming of Age und hat mit Alex eine sehr nahbare Protagonistin geschaffen. Sie schreibt dermaßen packend, dass es eine wahre Freude ist, sich in dieses Sittengemälde der USA in den 1950er Jahren zu vertiefen.
Platzierung im Vormonat (1)

„City of Trees“ von Chantal-Fleur Sandjon ist eine eindrucksvolle Mischung aus Afrospiritismus, Urban Fantasy, Climate-Fiction, Coming of Age und queere Poesie, die unter die Haut geht. Lindiwe versucht das Verschwinden ihrer Schwester Nokukhanya zu verarbeiten, während die ganze Familie das Trauma verschweigt und es dadurch verstärkt. Und ihre Gefühle für die schöne Unathi, ein mysteriöser Moosfleck auf ihrer Wange und das konstante Rufen des Waldes sind auch nicht gerade hilfreich … Die berührende Sprache der Autorin ist sowohl melancholisch als auch hoffnungsvoll und wirkt noch sehr lange nach: „Ich zerbreche ich zerbreche ich zerbreche zu meiner ganzen Größe“.
CN: Body Horror (Verwandlung), Emeto, Rassismus, Verlust von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (-)

Ein progressiver SF/Splatterhorror, der seinesgleichen sucht: Wir begleiten die zwei trans Frauen Beth und Fran in einer postapokalyptischen Welt, in welcher CIS Männer aufgrund eines Virus zu fressenden, gewalttätigen Sexzombies mutiert sind und durch die Gegend rotten. Diese Männerzombies sind eine Gefahr und ihre Testikel gleichzeitig eine notwendige Jagtbeute zum Überleben einiger Menschen. Daneben gibt es die Legionen der TERF CIS Frauen, die nazihaft Jagd auf alle trans Personen machen, um diese auszulöschen. Neben der spannenden Welt zeigt der Roman eindrücklich die Herausforderungen und Probleme von trans Personen in unserer jetzigen wie auch in der gezeichneten postapokalyptischen Welt auf. Ein Must Read nicht nur für Horrorfans!
Platzierung im Vormonat (3)

Ein Wasserplanet, dessen Megafauna und Menschen von einer mysteriösen Göttin beschützt werden. Transdimensionale Wale, die entlang aller denkbaren Zeitachsen reisen und deren Knochen eine begehrte Energiequelle sind. Ein Matriarchat, das gelernt hat, in der Hölle zu existieren und das sich gegen ein galaktisches Imperium verteidigen muss. Zwei Protagonist*innen, die im Krieg ihre Rollen finden müssen und über sich hinauswachsen. „Anahita“ ist ein beeindruckender Genremix aus Science Fantasy, Space Opera und Steampunk, voller Wunder und tiefgreifender Gedanken und mit starken weiblichen und nicht-binären Figuren …
Platzierung im Vormonat (5)

Paul Lynchs dystopischer Near-Future-Roman ist eine Mischung aus Kafka und Paul Auster, die wie eine unaufhaltsame Katastrophe die Lesenden haltlos zurücklässt: Irland ist keine Demokratie mehr und schafft mit faschistischen Notverordnungsgesetzen, Folterkellern und Abschaffung von Grundrechten eine permanente Atmosphäre der Angst. Die Protagonistin Eilish ist heillos überfordert und bangt um das Leben ihres Mannes und ihrer Kinder. Doch was tun am Rande der Ausweglosigkeit? Lynchs Roman ist ein eindringliches Warnzeichen der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen und hat nicht grundlos den Booker Prize erhalten.
CN: körperliche & psychische Gewalt, Sexismus, Verlust von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (4)

Epische Science Fantasy mit fliegenden Städten: In „The Surviving Sky“ formen Architekten mittels Technologie und Magie lebendige Städte, die als Refugien auf einem Dschungelplaneten mit verheerenden Stürmen dienen und immerzu neu strukturiert werden. Nakshar wird von Architekt Iravan geformt, dessen Ehe mit der Archäologin Ahilya eine schwere Krise durchmacht. Während ihre Beziehung zu zerbrechen droht, droht Nakshar der Absturz … Kritika H. Rao begeistert insbesondere mit ihrem komplexen, faszinierenden Worldbuilding sowie der Verbindung von Pflanzen und Magie.
Platzierung im Vormonat (-)

April Wynter entführt uns in eine Welt, in der Lawinen, Überschwemmungen und Erdbeben an der Tagesordnung zu sein scheinen. Die Bevölkerung leidet, Hunger, Obdachlosigkeit und vor allem unter Angst. Mitten in diesem Geschehen sammelt die Königin eine Gruppe unterschiedlichster Menschen um sich und erteilt ihnen einen Geheimauftrag. Nach und nach kommen die Beweggründe der einzelnen Mitstreiter ans Licht und sie beginnen sich zu fragen, was genau die Königin mit der Erfüllung des Auftrages bezweckt. Ein gelungenes Fantasybuch, welches sich mit wichtigen Themen unserer Zeit beschäftigt und dadurch die Lesenden dazu einlädt, sich auch Gedanken über unsere eigene Welt zu machen.
Platzierung im Vormonat (-)

Mit „Sonnenerben“ wollte Ria Winter einen Roman schreiben, in dem platonische Beziehungen die Welt retten. Das ist ihr absolut gelungen! Jonna ist 18, ziemlich chaotisch und hat ihr Leben nicht im Griff. Deshalb hofft sie, dass ihre Großmutter ihr den Glanz gibt, die Kraft der Sonne, mit der Jonna endlich Teil von etwas wäre. Doch diese weigert sich und Jonna nimmt die Sache in eigene Hand – mit dramatischen Folgen. Spannender Einzelband mit aroace Protagonistin.
CN: Alkoholkonsum, Depressionen (erwähnt), Experimente an Menschen (erwähnt), Gewalt (erwähnt), Selbstmord (erwähnt), Tod, Trauer Experimente an Menschen (erwähnt)
Platzierung im Vormonat (-)

Die Zeit steht still, niemand stirbt mehr. Klingt traumhaft? Anfangs vielleicht, aber nicht für alle Ewigkeit. Eine Reihe sich abwechselnder Protagonist*innen lässt die norwegische Autorin in die allgemeine Unsterblichkeit eintreten. Lunde gelingt es, das Thema von globaler Tragweite in eine anschauliche Form zu gießen. Fans der norwegischen Gegenwartsliteratur könnten sich allerdings etwas an Karl Ove Knausgårds “Morgenstern”-Reihe erinnert fühlen, die von nahezu derselben Prämisse ausgeht.
Platzierung im Vormonat (-)

In einer Welt, deren Frieden nicht für alle gilt, schlägt Olga sich als Postbotin durch, während sie auch noch ihre Mutter Olathe pflegen muss. Diese war vor 20 Jahren Irrlichtjägerin, hat die Mutter der Masken besiegt und ist verändert aus dem Krieg zurückgekehrt. Jetzt sind auch die Irrlichter plötzlich zurück und Olgas Probleme vervielfachen sich. Freya Petersen hat mit den Silberlanden eine grandiose und kreative Welt geschaffen und die vielschichtigen Charaktere und ihre Beziehungen zueinander gehen direkt unter die Haut. “Die Mutter der Masken – Säure” ist ein vielversprechendes und düsteres Buch mit toller (nicht nur) queerer Repräsentation.
CN: Gaslighting, Gewalt, Krieg, Trauma
Platzierung im Vormonat (7)
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