Chantal-Fleur Sandjon belegt mit “City of Trees” den zweiten Platz auf der aktuellen Bestenliste. Ein guter Grund, die Autorin besser kennenzulernen. Das Interview führte Aşkın.

Hallo Chantal-Fleur, beschreib dich doch bitte als Einstieg in drei Worten.
Ich liebe Geschichten, Mangos und Softness.
Was sind deine aktuellen Projekte und was sind deine größten Leidenschaften?
2024 bin ich viel gereist, hatte viele Lesungen und Begegnungen. Allmählich öffnet sich wieder der Raum um mich und in mir für neue Geschichten. Ich arbeite an einer poetischen Erzählung zu Körpern, Kunst und Familientrauma. Außerdem taste ich mich an einige kollaborative Projekte heran, was sehr nährend und aufregend ist.

Was ist das Besondere an deinem neuen Buch “City of Trees”?
Es ist für mich ein Buch, das ich sehr nah bei mir trage. Das Besondere liegt für mich darin, wie hier Zulu-Mythologie mit magischem Realismus verschmilzt – und mit den Fragen, wie wir mit Veränderung umgehen und wie wir das vermeintliche Ende dieser Welt neu erzählen können.
Womit prokrastinierst du am liebsten?
Ich kann viel Zeit mit Tagträumen verbringen. Und mit dem Puzzle auf dem Boden meines Studios.
Welches deiner Bücher sollten wir jetzt sofort aus welchem Grund lesen?
„City of Trees“ ist das Richtige für die Zeit gerade. Weil die Angst vor Veränderung und Wandel so präsent gerade ist. Und weil es mehr Perspektiven auf das Anthropozän braucht, das wir auch Kapitalozän oder Okzidentozän nennen könnten. Plus, etwas Eskapismus dank fantastischer Elemente ist auch mit drin.

Und welches Buch (nicht von dir) sollte jede*r von uns lesen?
Diese Frage würde ich wahrscheinlich jedes Mal anders beantworten, wenn sie mir gestellt wird, einfach nur, weil es so viele großartige Bücher gibt. In enger Verbindung mit „City of Trees“ empfehle ich heute die Parabel-Duologie von Octavia Butler („Die Parabel vom Sämann“ und „Die Parabel der Talente“). Visionär, geerdet, sternennah – und unglaublich aktuell.
Was muss ein perfektes Buch überhaupt bieten?
Perfekte Bücher interessieren mich nicht. Mich interessieren Bücher, die mich in Verbindung bringen mit etwas, das außerhalb von mir selbst liegt und zugleich in mich hineinreicht. Ich liebe Bücher, von denen ich nicht wusste, dass ich sie gebraucht habe, bis ich sie lese, bis es diesen Moment gibt, in dem sich etwas in mir öffnet, das bis dahin verschlossen gewesen ist.
Hattest du schon mal eine Schreib- und/oder Leseblockade? Was hat dagegen geholfen?
„Blockade“ ist ein zu großes Wort, eins, das sich zu fest und schwer überwindbar anhört. Aber ja, ich habe immer mal wieder Zeiten, in denen ich aus dem Lesefluss komme, wenn etwa der Alltag oder mein Schreiben alles übernimmt. Beim Schreiben zeigen mir Momente, in denen ich ins Stocken komme oder nicht in die Tiefe gehen kann, dass etwas fehlt. Vielleicht fehlen mir bestimmte Informationen über die Charaktere und ihre Welt, vielleicht berühre ich etwas, das mir Angst macht. Es ist die Chance, genauer hinzuschauen, hinzuhören, nachzuspüren – dann fließt es bald wieder.
Was sollte sich im Literaturbetrieb ändern?
Mindestens genauso viel wie in unserer Gesellschaft.
Wie siehst du die Zukunft in 100 Jahren?
Ich sehe uns Menschen zwischen den Bäumen. Das ist meine Hoffnung für uns, eine Rückkehr zu mehr Nähe mit all dem Leben, das hier auf der Erde mit uns wächst. Eine Rückkehr, um uns vorwärtszubewegen, in eine Zukunft hinein, die wieder für mehr Menschen, Tiere, Pflanzen lebenswert ist, als es gerade der Fall ist.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!
Wo ist Chantal-Fleur Sandjon zu finden?
Offizielle Website | Instagram | In einem Studio in Berlin-Tempelhof, zwischen einem Friedhof für ausrangierte Doppeldecker und einer Mozzarella-Fabrik.
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