Für das Autor*inneninterview des Monats konnten wir Ju Honisch gewinnen, die mit “Sturmkrallen – Die Geheimnisse der Klingenwelt” in der Bestenliste für Mai den fünften Platz belegt hat. Das Interview führte Aşkın.

Hallo Ju, beschreib dich doch bitte als Einstieg in drei Worten.
Phantasievoll, wortverliebt, musikalisch.
Was sind deine aktuellen Projekte und was sind deine größten Leidenschaften?
Gerade eben ist „Schlange des Bösen: Teil 1: Die Studentin“ erschienen. „Teil 2: Chimären“ erscheint in etwa einem Monat (ein Roman, zwei Bände, wegen der Länge). Ich schreibe schon an einem weiteren Roman im gleichen Setting. Er ermöglicht ein Wiedersehen mit ein paar der Heldinnen und Helden aus „Schlange des Bösen“, auch wenn es natürlich auch frische und unverbrauchte Protagonist*innen geben wird.
Im Hinterstübchen meines tentakeligen Kraken-Gehirnes lauert auch noch ein Science-Fiction-Roman, den ich irgendwann zu schreiben begonnen habe und der dann vielleicht – genauso irgendwann – einmal fertig wird. Zwei Kurzgeschichtensammlungen sind auch in der Mache. Außerdem übersetze ich gerade „Gefangene des Panthers“ ins Englische. Einen Teil meiner Bücher gibt es auch auf Englisch.
Was die nicht-literarischen Leidenschaften angeht, so gilt meine Liebe der Musik. Ich singe in einem Kammerchor, liebe klassische (und alte) Musik. Im Singer-Songwriter Bereich habe ich selbst viele Lieder geschrieben.

Was ist das Besondere an deinem Buch “Sturmkrallen – Die Geheimnisse der Klingenwelt”?
Vielleicht die Helden und Heldinnen? Die Hauptheldin, Soldatin einer Spezialeinheit aus Wasserfrauen, ist zur Abwechslung mal weder zart noch schön und auch nur sehr bedingt charmant zu nennen: nur wenn man „sarkastisches Schlappmaul“ mag.
Der klassische „Sidekick“ ist eine junge Wirtshausköchin, die weitaus geschickter einen Kochlöffel schwingt als eine Waffe und gänzlich unfreiwillig ins Geschehen gerät. Sie entstammt einem indigenen Nordvolk und muss schon ihr Leben lang gegen rassistische Vorurteile kämpfen.
Auf einem Schiff voller Piraten und Menschenräuber droht beiden ein grausames Schicksal. Im Nordmeer kann man nicht aussteigen. Doch es gibt auch den einen oder anderen guten Recken unter der Besatzung – nur wem soll man trauen?
Womit prokrastinierst du am liebsten?
Englische Historien-Filme/Serien von den „Tudors“ bis zu „Downton Abbey“ in TV oder als Buch. Ich lese bzw. höre eine Unmenge von Büchern, mehr auf Englisch als auf Deutsch, nicht alles Genre-Bücher, aber Phantastik ist dennoch mein liebster Tummelplatz. Ich höre gerne klassische Musik.
Welches deiner Bücher sollten wir jetzt sofort aus welchem Grund lesen?
Schwierig. Jede Autorin wird natürlich gleichzeitig auf jedes ihrer Bücher deuten wollen. Dieses Interview ist jedoch von „Sturmkrallen“ inspiriert worden, vielleicht also mit der Serie „Geheimnisse der Klingenwelt“ anfangen? Allerdings ist „Sturmkrallen“ nicht der erste Band der Serie, wenngleich die Story in sich abgeschlossen ist.
Doch auch das allerneueste Buch „Schlange des Bösen“ wäre ein guter Anfang. Cambridge, 1887 (hist. Ambiente: ein Jahr vor Jack the Ripper). Auch wenn der Titel das anzudeuten scheint: Es ist so gar kein theologisches Werk.
Wenn man dann noch weitere Bücher aus der historischen Fantasy mag, kann man mit meinen ersten Büchern anfangen („Obsidianherz“), die auch im 19. Jahrhundert spielen, allerdings 20 Jahre früher und in einem anderen Land mit anderen Helden. Bücher dieser Serie haben einen Deutschen Phantastik Preis und einen SERAPH gewonnen.
Und welches Buch (nicht von dir) sollte jede*r von uns lesen?
Auch hier ist eine Auswahl schwierig, da ich so viele Bücher/Autor*innen liebe. Tolkiens „Herr der Ringe“ kennt schon jeder. „Fool on the Hill“ von Matt Ruff bedient sich der bekanntesten Tropes des Genres und stülpt diese innerhalb eines phantasiegeladenen Universitätsromans einfach um. Ich finde das Buch absolut entzückend, und da es (aus Marketinggründen) zum magischen Realismus und nicht zur Fantasy gezählt wird (tell the difference …), kann man es auch Phantastik-kritischen Bildungsbürgern empfehlen. Schließlich ist Terry Pratchett einer meiner Lieblingsautoren. „Guards! Guards!“ bzw. „Wachen! Wachen!“ empfehle ich gerne Leuten, die englischen Humor und ein erfreuliches Hin und Her zwischen Skurrilität und Weisheit zu schätzen wissen.

Was muss ein perfektes Buch überhaupt bieten?
Gut ausgearbeitete, glaubhafte Charaktere, Spannung, und eine Sprache, die nicht in den Schulhofsoziolekt abdriftet. Eskapismus hat seine Daseinsberechtigung, aber zu viel „Friede, Freude, Crêpe Suzette“ ist langweilig. Die handelnden Personen müssen Menschen mit Fehlern und Ängsten sein: Unangreifbare Superhelden finde ich öde.
Hattest du schon mal eine Schreib- und/oder Leseblockade? Was hat dagegen geholfen?
Wenn ich mal nicht schreiben kann, übersetze ich. Das gibt mir das Gefühl, etwas Kreatives zu tun und bringt mich wieder an Texte heran. Eine Leseblockade hatte ich noch nie. Die würde meinem Geldbeutel durchaus guttun.
Was sollte sich im Literaturbetrieb ändern?
Ich würde mir wünschen, dass in den großen Verlagen die Veröffentlichungs-Entscheidungen wieder von Lektor*innen getroffen werden, die das Buch – oder zumindest das Exposé – tatsächlich gelesen haben. Entscheidungen von Marketingfuzzis, die anhand von Schlagworten ermitteln, welche Tropes sich nach statistischer Berechnung der letzten drei, vier Jahre gut verkauft haben, reiten dann doch das ewig selbe Pferd gleich mehrmals zu Tode. Auch mich hat ein großer Verlag schon einmal gebeten: „Bitte schreiben Sie doch etwas genauso wie …“ (Habe ich nicht. Und werde ich nicht.)
Wie siehst du die Zukunft in 100 Jahren?
Ich wünschte, ich könnte mir etwas anderes vorstellen als die absolute Klima-Dystopie. Im Moment wäre ich schon froh, wenn Kompetenz gepaart mit Gewissen wieder die Entscheidungen der Entscheider leiten würde. Ich habe nicht viel Hoffnung für die Menschheit. Nur mit Lügen und Ego kann man keine Zivilisation retten.
Ein alter Herr, der beinahe mein Schwiegervater geworden wäre, hat sich immer eine Invasion von altruistischen, sehr weisen Aliens gewünscht. Diese, meinte er, wären aus ihrer Nicht-Involviertheit heraus zu einer vorurteilsfreien Gerechtigkeit fähig, die eine friedliche Koexistenz der Menschen untereinander ermöglichen würde. Damals fand ich seinen Gedanken sehr abstrus. Heute …? Wo ist ein Alien, wenn man eines braucht?
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!
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