Für das Interview des Monats konnten wir the one and only Christian Handel gewinnen, der mit “Beneath the Ivy – The Witches of Silvercrest Coven” in der aktuellen Bestenliste auf Platz acht zu finden ist. Unseren aufmerksamen Leser*innen dürfte auch wohlbekannt sein, dass Christian bereits mit seinen früheren Romanen “Schattengold” und “Die Nacht der Königinnen” die Bestenliste unsicher gemacht hat. Das Interview führte Aşkın.

Hallo Christian, beschreib dich doch bitte als Einstieg in drei Worten.
Verbindend. Geeky. Schwul.
Was sind deine aktuellen Projekte und was sind deine größten Leidenschaften?
Derzeit darf ich sowohl an einem neuen Jugendbuch – eine High Fantasy-Geschichte mit zwei schwulen Helden – als auch an einer düsteren Märchenadaption für Erwachsene arbeiten. Besonders schön daran ist, dass ich mich gerade von einer Autorin coachen lasse, um die Arbeit daran noch einmal völlig anders anzugehen.
Und da haben wir bereits eine meiner großen Leidenschaften: Das Beschäftigen mit und das Eintauchen in Geschichten und Erzählstrukturen, ob nun im Roman oder in anderen Medien. Darüber hinaus liebe ich Podcasts, Spaziergänge mit meinem Hund Charly, Treffen mit Freunden und … pssst. Ein paar Geheimnisse müssen ja bestehen bleiben.

Was ist das Besondere an deinem Buch “Beneath the Ivy – The Witches of Silvercrest Coven”?
Inhaltlich müssen das ja die Lesenden selbst entscheiden. Was ich liebe, ist die Erkenntnis, dass ohnehin schon alles mal da gewesen ist, aber niemand eine Geschichte so erzählen kann, wie jemand anderes. Mir hat es viel Spaß gemacht, auch einem Gebäude einmal Leben einzuhauchen – Silvercrest Manor, in dem die Mehrgenerationen-Hexenfamilie der Winslows unter einem Dach lebt, besitzt eine eigene Seele, hat Macken und ist nachtragend. Wenn man es nicht ordentlich pflegt, versteckt es auch schon mal die Autoschlüssel oder weckt die Bewohner*innen noch vor dem Wecker durch aufdringliches Fensterläden-Klappern auf. Es kümmert sich aber auch um alle unter seinem Dach – und es birgt ein düsteres Geheimnis. Auch seine Bewohner*innen sind mir ziemlich ans Herz gewachsen, nicht nur, weil sie teils sehr schrullig sind, sondern auch, weil es mir große Freude bereitet hat, darüber zu schreiben, wie sich drei Generationen miteinander arrangieren, wenn sie auf einem so engen Raum zusammenleben.
Womit prokrastinierst du am liebsten?
Mit Hörbuch- und Podcast-Hören – bei letzterem zu Fantasy-Themen wie etwa dem Phantastik-Brunch, aber auch mit Politik-Podcasts oder manchmal einfach nur Laber-Podcasts. Da wird schon mal freiwillig der Schrank ausgeräumt und geputzt, damit ich etwas Weiterhören kann und noch nicht an den Schreibtisch muss (ich meine natürlich darf).
Gibt’s von euch eigentlich einen Podcast? [Anmerkung der Phantastik-Bestenliste: Zwar ein furchtbar vernachlässigter, aber ja: Podcast]

Welches deiner Bücher sollten wir jetzt sofort aus welchem Grund lesen?
“Pride began on Christopher Street”, das ich gemeinsam mit Andreas Suchanek geschrieben habe – mein einziger Nicht-Fantasy-Roman. Darin geht es um die Stonewall Aufstände von 1969 und die Entstehung des Christopher Street Days. Und wenn ich mir anschaue, was auch bei uns vor der Haustür gesellschaftspolitisch gerade passiert, schadet es gewiss nicht, sich diese Zeiten und die Botschaft dieses Ereignisses ins Gedächtnis zu rufen: Zusammenhalten und füreinander einstehen, trotz etwaiger Unterschiede. Empathie statt Hass.
Und welches Buch (nicht von dir) sollte jede*r von uns lesen?
Da gibt es glaube ich keines, das allgemeingültig ist, weil wir alle verschiedene Hintergründe haben. Für mich war – inzwischen ein Klassiker – gewiss z. B. Alice Hasters Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten” sehr wichtig. Und da fühlt es sich seltsam an, zusätzlich einfach noch ein Unterhaltungsbuch zu nennen. Deshalb: Wer Inspiration sucht, kann gern auf Instagram vorbeischauen, da teile ich auch manchmal Buchtipps.
Was muss ein perfektes Buch überhaupt bieten?
Das Schöne ist, dass ein Buch ja für den einen Menschen perfekt sein kann, für den anderen aber gar nicht. Was es also aus meiner Sicht braucht: Es muss die Lesenden berühren können und etwas in ihnen zum Klingen bringen, egal, ob es sich um einen Roman oder um ein Sachbuch handelt.

Hattest du schon mal eine Schreib- und/oder Leseblockade? Was hat dagegen geholfen?
Bisher hatte ich das große Glück, dass ich die noch nicht wirklich hatte. Wenn ich doch mal nicht vorankomme, lag es bisher daran, dass ich entweder mental zu unruhig war – da hilft es mir dann, mich zu erden – oder dass mit der Geschichte inhaltlich etwas nicht gestimmt hat. Da helfen mir Gespräche und lange Spaziergänge – oder einfach mal zu einer anderen Geschichte wechseln, die man erzählen will.
Wenn ich eine Lese-Flaute habe, schnappe ich mir entweder eine Kurzgeschichte oder aber ich lese noch mal ein altes Lieblingsbuch, das mich früher bereits begeistert hat. Oder ich mache generell eine Lese-Pause, das ist auch mal okay.
Was sollte sich im Literaturbetrieb ändern?
Wo fange ich da an? Vielleicht so: Als Buchmensch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist schwierig, egal ob man nun Verlagsmensch ist, Buchhändler, freier Lektor etc. oder Autor. Ich würde mir wünschen, dass wir Buchmenschen allesamt intensiver gemeinsam nach neuen Wegen suchen, die wir gehen können, um die Menschen wieder mehr für Literatur und Geschichten zu begeistern und ggf. auch wieder alle besser am Buch zu verdienen. Ansatzpunkte gäbe es da gewiss viele, spannend wäre es, wenn wir viel öfter unsere Köpfe auch verlags- und berufsübergreifend zusammenstecken würden.
Wie siehst du die Zukunft in 100 Jahren?
Da ich ein optimistischer Mensch bin: Hoffentlich nicht so deprimierend, wie es viele Prognosen gerade prophezeien.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!

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