Für das Autor*inneninterview des Monats haben wir für Oktober Thomas Fynch in petto, der mit seinem Debütroman “Die Immerwolken” in der aktuellen Bestenliste Platz vier belegt. Das Interview führte Aşkın.

Hallo Thomas, beschreib dich doch bitte als Einstieg in drei Worten.
Kreativ, analytisch, veträumt.
Was sind deine aktuellen Projekte und was sind deine größten Leidenschaften?
Momentan arbeite ich an zwei neuen Buchprojekten, über die ich allerdings noch nicht allzu viel verraten möchte. Nur so viel: Eines davon behandelt ein sehr persönliches Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Das macht den Schreibprozess deutlich anspruchsvoller, weil ich dem Thema wirklich gerecht werden möchte. Parallel dazu arbeite ich weiter an meiner „Immerwolken“-Welt. Dort gibt es noch unzählige Geschichten, die erzählt werden wollen. Diese Welt lässt mich einfach nicht los.
Neben dem Schreiben habe ich (leider) ein paar Leidenschaften zu viel. Musik spielt dabei eine zentrale Rolle – ob als Gitarrist, Sänger oder Komponist. Wenn ich schreibe, ist Musik für mich ohnehin ständiger Begleiter.

Was ist das Besondere an deinem Buch “Die Immerwolken”?
Ich glaube, das Besondere an “Die Immerwolken” ist die Welt selbst. Eine Gesellschaft über den Wolken, die nicht weiß, was sich unter ihnen befindet – das ist ein Setting, das ich so in der Fantasy-Literatur bisher kaum gesehen habe. Ich habe mich regelrecht in diese Welt verliebt und hoffe, daß diese Faszination auch für die Leser*innen spürbar ist.
Zudem steht die Beziehung der beiden Geschwister Yka und Tin im Zentrum, und nicht wie so oft eine Liebesgeschichte. Tin sitzt im Rollstuhl, Yka ist Pilotin. Zusammen begeben sie sich auf eine Reise, die sie buchstäblich und emotional über die Wolken hinausführt. Diese Geschwisterdynamik ist etwas, das mir persönlich sehr wichtig war, da ich hier vieles aus meiner eigenen Vergangenheit verarbeiten konnte.
Womit prokrastinierst du am liebsten?
Ich bin ein wahrer Meister des Prokrastinierens. Zwar verliere ich mich selten auf Instagram oder TikTok, aber der YouTube-Algorithmus hat mich manchmal fest im Griff. Ich rede mir dann immer ein, dass das alles der Inspiration dient (und manchmal stimmt das sogar).
In letzter Zeit hat mich außerdem das Schachfieber gepackt. Was als kurze Partie gedacht ist, endet oft zwei Stunden später mit der Erkenntnis, daß Schreiben wohl produktiver gewesen wäre.
Welches Buch (nicht von dir) sollte jede*r von uns lesen?
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, deshalb gibt es kein Buch, das ich wirklich allen empfehlen kann. Für mich persönlich ist “Die Elfen” von Bernhard Hennen und James A. Sullivan ein Klassiker, an den ich immer wieder gern zurückdenke. Es ist Fantasy in Reinform, mit großartigen Figuren, epischer Weite und einem melancholischen Ende. Wer Fantasy liebt, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Was muss ein perfektes Buch überhaupt bieten?
Ich glaube nicht an das eine perfekte Buch. Der finale Eindruck hängt zu sehr von den eigenen Vorlieben und Werten sowie der aktuellen Stimmung ab. Manche Leser*innen suchen Spannung und Tempo, andere verlieren sich lieber in poetischen Beschreibungen.
Es gibt aber Elemente, die jedes gute Buch tragen: glaubwürdige, vielschichtige Figuren, eine durchdachte Handlung und eine Geschichte, die im Kopf bleibt. Wenn mich ein Buch auch Tage später noch beschäftigt, dann hat es etwas richtig gemacht.
Ich persönlich liebe Geschichten mit unkonventionellen Welten, schrägen, unperfekten Charakteren und einer Botschaft, die mich innerlich berührt oder mir einen neuen Blick auf etwas schenkt.
Hattest du schon mal eine Schreib- und/oder Leseblockade? Was hat dagegen geholfen?
Absolut. Besonders in den letzten Monaten hatte ich eine längere Schreibblockade, was größtenteils an meinem sehr einnehmenden Berufsalltag lag. Dadurch war mein Kopf oft nicht frei genug.
Gegen eine klassische Schreibblockade hilft für mich am besten: einfach schreiben, ohne Anspruch. Es heisst, in jedem Stift stecken tausend schlechte Sätze, und die müssen erst raus, bevor die guten kommen. Oft blockiert uns der Perfektionismus. Wenn man sich erlaubt, bewußt schlecht zu schreiben, befreit das enorm. Am Ende spielt es keine Rolle, ob man zehn Minuten vor einem weißen Blatt gesessen hat oder zehn Minuten Müll produziert hat. Im zweiten Fall hat man zumindest geübt. Und manchmal findet man dabei unerwartet einen Satz, der bleibt.
Was sollte sich im Literaturbetrieb ändern?
Ich wünsche mir mehr Mut zu Vielfalt. In jeder Hinsicht. Oft scheinen Verlage vor allem nach dem zu suchen, was gerade „funktioniert“, statt nach neuen Stimmen und Ideen. Mir wurde einmal offen gesagt, dass die Leser*innen lieber zum hundertsten Mal das Gleiche lesen, als mal etwas Neues auszuprobieren. Das mag sicher nicht ganz falsch sein, aber die spannendsten Geschichten entstehen meist dort, wo jemand etwas wagt: eine ungewöhnliche Perspektive, ein neues Setting, ein anderes Tempo.
Auch sollten Autor*innen langfristiger begleitet werden dürfen. Ein Buch braucht manchmal Zeit, um Leser*innen zu finden. Diese Geduld sollte wieder mehr Teil des Systems werden. Glücklicherweise teilt mein Verlag genau diese Philosophie.
Wie siehst du die Zukunft in 100 Jahren?
Das ist schwer zu sagen. In meiner Wunschvorstellung leben wir in Frieden, haben den Klimawandel in den Griff bekommen, und ich fliege endlich auf einem Hoverboard durch die Gegend.
Realistischerweise stehen die Chancen wohl nicht ganz so gut. Vielleicht sitzen wir in klimatisierten Kuppeln mitten in der Wüste und lassen uns von KI-Algorithmen regieren. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
Aber ganz egal, wie es kommt – ich sehe in beiden Szenarien jede Menge Stoff für neue Geschichten.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!

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