Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Übersetzung: Monika Baark, Berlin Verlag, 576 Seiten, gebunden, ET: 10. September 2019, 25,00 €.Buch kaufen bei
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Mit „Die Zeuginnen“ hat Margaret Atwood 34 Jahre nach Erscheinen des Vorgängers „Der Report der Magd“ eine Fortsetzung ihrer tief beeindruckenden und verstörenden Dystopie veröffentlicht. „Die Zeuginnen“ liefert so ziemlich alles, was man sich von einer Fortsetzung wünschen könnte, und beantwortet die meisten offenen Fragen – an die beklemmende und eindringliche Energie des Vorgängers reicht der Roman jedoch leider nicht ganz heran.
Platzierung im Vormonat (5)
Laylay und Zeeto leben in einem postapokalyptischen Deutschland, in dem sich die Menschen zu unterschiedlichsten Gemeinschaften zusammengeschlossen haben: Brutale Bikergangs gibt es genauso wie Sekten und stationäre Siedlungen, die vom Handel leben und zutiefst pazifistisch und menschenfreundlich eingestellt sind. Das fragile Gleichgewicht wird jedoch gestört, als Zeeto im verseuchten Ödland ein mysteriöses Baby findet. Eine Utopie in der Dystopie, die unglaublich lustige Momente hat, die Lesenden aber auch sehr nachdenklich zurücklässt.
CN: Bipolare Neurodivergenz, Depressionen, körperliche Gewalt, Sex (explizit), sexualisierte Gewalt (erwähnt), Sklaverei (erwähnt)
Platzierung im Vormonat (1)
Jaskandris in der Antarktis ist die letzte Stadt auf der Erde. Die Gesellschaft der letzten Menschen ist um Künstliche Intelligenzen, die sie aus einer Alieninvasion retteten, herum aufgebaut und wird vor allem mit Hilfe von Symbionten gesteuert — Menschen mit eingebauten Interfaces, die mit der KI und den Systemen der Stadt interagieren können. Die Hauptfigur Gamil entdeckt zu Beginn der Geschichte ein ungewöhnliches Signal und folgt ihm. Er muss nun mit seinen Gefährt:innen den wahren Zweck von Jaskandris herausfinden und gegen die KI arbeiten. James Sullivan hat mit “Die Stadt der Symbionten” nicht nur eine rasante Story geschrieben, sondern auch viele interessante Ideen zur Zusammenarbeit von Menschen und Computersystemen erarbeitet.
Platzierung im Vormonat (2)
Vasya Petrovna wächst mit ihren Geschwistern im Norden Russlands auf, weit entfernt von Moskau und dem Hof des Zaren. Sie spricht die Sprache der Pferde, ehrt die Schutzgeister des Hauses und gewinnt sogar den Respekt der magischen Kreaturen des Waldes. Als ihr verwitweter Vater eine christliche Adlige aus der Hauptstadt heiratet, die seine jüngste Tochter zu einer guten Partie erziehen soll, ändert sich das Leben der Familie für immer, denn eine dunkle Macht will sich den Aberglauben der Stiefmutter zu Nutze machen. Doch Vasya findet einen unerwarteten Verbündeten in Gestalt von Morotzko, dem Winterkönig aus den Märchen ihrer Kindheit… Der Slawistin Katherine Arden gelingt mit ihrem Debut ein neuer Blick auf den alten Topos vom magischen Mädchen, das seiner Zeit voraus ist. Das mittelalterliche Russland mit seinen schneeschweren Winternächten bietet eine perfekte Kulisse für diese gelegentlich romantisch überzeichnete, aber nie kitschige Geschichte über Familie, Selbstfindung und Erwachsenwerden vor dem Hintergrund der fortschreitenden Christianisierung.
Platzierung im Vormonat (7)
Übersetzung: Beate Brammertz, Ute Brammertz, Heyne fliegt, 480 Seiten, gebunden, ET: 23. September 2019, 17,00 €.Buch kaufen bei
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Der Auftakt der Trilogie der US-amerikanisch-japanischen Autorin weist ein interessantes Gemisch aus exotischer Fremdheit für westliche Rezipient*innen und gleichzeitig genügend bekannte Plot- und Rollenmuster auf. Die beiden Hauptfiguren Yumeko (eine Kitsune, ein magisches Geschöpf, das sich sowohl in einen Menschen als auch einen Fuchs verwandeln und zaubern kann) und Tatsumi, ein Dämonenjäger, sind beide damit beauftragt eine magische Schriftrolle zu verschiedenen Bestimmungsorten zu bringen. Durch Täuschung gelingt es Yumeko, ihn zu überzeugen sie auf ihrer gefährlichen Reise zu begleiten. Humorvoll, spannend und voller Eindrücke in die japanische Kultur.
Platzierung im Vormonat (6)
Die Menschheit steht gefühlt am Rande des Abgrunds, denn eine Künstliche Intelligenz verwandelt von ihr infizierte Menschen in gefühllose Wesen. Diese werden technisch aufgerüstet und können nur schwer bei Angriffen zurück geschlagen werden. Mehrere junge Leute werden nun in diesen Kampf geworfen, der von ihnen alles abverlangt – und den sie gewinnen müssen, wenn sie die Menschheit bewahren wollen.
Platzierung im Vormonat (4)
Eine Dystopie, wie man sie noch nie gelesen hat: Die postdemokratische Welt der Zukunft wird von drei großen Diktaturen bestimmt, während Homosexuelle von einer geheimnisvollen Krankheit befallen werden, die sie Körperteil für Körperteil unsichtbar werden lässt. Wie einst AIDS prädestiniert das Syndrom des Verschwindens die Betroffenen für staatliche Unterdrückung und Ausgrenzung. Autor Jan Stressenreuter kann mehr als die meisten Dystopie-Schreiber: Seine emotional ergreifenden, aber niemals kitschigen Szenen stehen der scharfsinnigen Gesellschaftskritik in nichts nach. Hoch brisant!
Platzierung im Vormonat (9)
Ein postapokalyptisches Szenario, das seinesgleichen sucht: Nach einem atomaren Weltkrieg bilden zwei mächtige Luftschiffe die letzte Zuflucht der Menschheit. Immer auf der Suche nach einem bewohnbaren Gebiet, umkreisen sie die Erde – seit nun über 200 Jahren. Das Einzige, das den Zerfall der Schiffe auffällt, sind die Hell Divers: Männer und Frauen, die ihr Leben riskieren, indem sie auf die Erdoberfläche springen, um nach Ersatzteilen zu suchen. Als ein Team der Hell Divers in eine besonders gefährliche Zone entsandt wird, erwartet sie das pure Grauen… Wow. Einfach nur WOW! Insgesamt eine super bedrückende Atmosphöre, Action satt und der nackte Horror, der einem schlaflose Nächte beschert. Neben der beissenden Spannung punktet das Buch zudem mit vielen menschlichen Schicksalen. Das ist insofern großartig, da Hell Divers der erste Teil einer menrbändigen Saga ist. Ich freue mich!
Platzierung im Vormonat (10)
Auch im dritten Band sitzt der meistgesuchte Widerstandskämpfer namens Godric End im Zellenblock 13 und erzählt seine Geschichte. Wie bereits in den beiden Vorgängern bleibt einem als Leser nichts weiter übrig, als den unglaublich klingenden Erlebnissen dieses noch immer nicht rundum greifbaren Protagonisten zu folgen. Carl Wilckens führt auch im dritten Band virtuos seine Geschichte fort und bedient sich dabei ausgreifend in der gesamten Welt der Phantastik. Das düstere Leben Godric Ends bleibt auch im dritten Band absolut empfehlenswert. Als Leser ist man weiterhin vom Wunsch beseelt, diesem Leben noch lange folgen zu können.
Platzierung im Vormonat (-)
Eine Rückkehr zum mythischen Erzählen jenseits abgegriffener Psychologisierungen des realistischen Mainstream-Romans – kann das in der entzauberten postmodernen Welt gelingen? Marlon James´ Roman ist der Beweis: In “Schwarzer Leopard, roter Wolf” wird die Welt nicht erklärt, sondern bebildert. Der Autor vertraut auf die Dynamik seiner Fabulierkünste, wenn er den homosexuellen Ich-Erzähler auf eine epische Queste durch ein brutales Parallelwelt-Afrika grauer Vorzeiten schickt. Abseits standardisierter Handlungsmuster, und dazu noch völlig eigenständig im Sound, haucht die Sprachgewalt dieses Hybrids zwischen Mythos und Sozialkritik dem phantastischen Roman neues Leben ein.
Platzierung im Vormonat (-)
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