Willkommen zum Interview des Monats! Noah Stoffers führt nun seit drei Monaten mit “A Midsummer’s Nightmare” die Phantastik-Bestenliste auf dem ertsen Platz an und war zuvor bereits mit “Berlin – Rostiges Herz” und “Berlin – Magische Knochen” auf der Bestenliste vertreten. Es ist also höchste Zeit, Noah besser kennezulernen! Das Interview führte Aşkın.
Hallo Noah, beschreib dich doch bitte als Einstieg in drei Worten.
Verkopft, fantasievoll, soft.
Was sind deine aktuellen Projekte und was sind deine größten Leidenschaften?
Im Augenblick arbeite ich gerade an mehreren Romanideen, darf aber wie so oft noch keine Details nennen. Ich bleibe auf jeden Fall im Fantasy-Genre und schreibe immer auch queere Repräsentation in irgendeiner Form. Ansonsten arbeite ich im Lektorat, auch da hauptsächlich an Fantasy-Romanen. Manchmal begleite ich auch Buchprojekte mit queeren Figuren oder Queerness als Schwerpunkt.
Privat mag ich Pen & Paper-Runden und alle möglichen Formen von Medien. Man könnte also sagen, dass Geschichten in jeder Form meine größte Leidenschaft sind. Karamell, Bäume und Tee kommen aber dicht dahinter.
Was ist das Besondere an deinem neuen Buch “A Midsummer’s Nightmare”?
Es ist mein erster Roman, der in der Gegenwart spielt, also mitsamt dem Zeitgeist und den Diskussionen, die damit einhergehen. Es gibt Feenzauber und TikTok dicht nebeneinander.
Und Ari ist meine erste nicht-binäre Hauptfigur. Das hat sich schon eine Weile abgezeichnet, nachdem auch in meinen letzten Kurzgeschichten immer mehr transgeschlechtliche Figuren auftauchten.
Womit prokrastinierst du am liebsten?
Ich verliere mich sehr schnell in den endlosen Weiten des Internets, weil ich nur mal kurz nachschauen wollte, was die Geschichte von Steinkreisen ist oder wie die Besuchszeiten im Gefängnis in Flensburg sind.
Welches deiner Bücher sollten wir jetzt sofort aus welchem Grund lesen?
Tatsächlich „A Midsummer’s Nightmare“, weil es mein bisher persönlichstes Buch ist. Ich war eigentlich entschlossen, wie üblich mit beiläufiger Queerness zu arbeiten und dann sind doch viele meiner eigenen Erfahrungen hineingeflossen. Und ja, es gibt auch Shakespeare, Magie und so nostalgische Dark Academia Vibes, aber das ist eher der Zuckerguss.
Und welches Buch (nicht von dir) sollte jede*r von uns lesen?
„GENDERQUEER – Eine nichtbinäre Autobiografie“ von Maia Kobabe ist ein Comic, der mich auf so viele Weisen berührt hat. An Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existieren. Es ist eine Auseinandersetzung damit, was es heißen kann, nicht-binär und asexuell zu sein. Und weil es ein Comic ist, lässt er sich gut an einem Nachmittag durchlesen. Es ist gleichzeitig eine humorvolle, kurzweilige und trotzdem sehr tiefe Geschichte.
Was muss ein perfektes Buch überhaupt bieten?
Es muss in mir eine Resonanz auslösen. Etwas, das mich berührt und hineinzieht, über die bloße Unterhaltung hinaus. Liebenswerte Figuren, überraschende Wendungen, Weltenbau, Humor, ein eigener Stil – all das ist großartig. Aber das gewisse Etwas ist eher zwischen den Zeilen greifbar. Ein Gefühl. Persönlichkeit vielleicht am ehesten.
Hattest du schon mal eine Schreib- und/oder Leseblockade? Was hat dagegen geholfen?
Leseblockaden immer mal wieder, weil ich auch beruflich viel lese und das manchmal zu viel ist. Es ist schön, ab und zu mal daraus aufzutauchen. Zum Glück gibt es immer mal wieder Bücher, die mich so begeistern, dass sie mich dann doch wieder aus der Leseflaute holen. Oder ich nutze schlicht andere Medien wie Spiele, Filme oder Comics, um Abstand zu gewinnen.
Wenn ich beim Schreiben feststecke, gibt es zwei mögliche Gründe. Der eine ist, dass es mir einfach nicht gut geht und dann helfen nur Pausen. Wesentlich häufiger liegt es aber daran, dass irgendwas im Plot nicht stimmt. Also, dass ich mich verrannt habe und deshalb verstecke. Auch dann ist eine Pause gut, um mit einer frischen Perspektive draufzugucken, und herauszufinden, was das Problem ist.
Was sollte sich im Literaturbetrieb ändern?
Wenn ich nur zwei Punkte rauspicken würde, wären das Diversität und bessere Arbeitsbedingungen.
Ich würde mir wünschen, dass es sehr viel selbstverständlicher ist, überall im Literaturbetrieb Marginalisierte anzutreffen. In Redaktionen, bei Übersetzungen, Lektoraten und natürlich beim Schreiben.
Und es braucht einfach verdammt viele Ressourcen, Bücher zu schreiben. Die meisten von uns können nicht davon leben und nicht alle können es sich leisten, diese Arbeitszeit neben dem Brotjob aufzubringen. Selbst wenn man das tut, geht das oft nur durch Überarbeitung, Einschränkungen auf anderen Ebenen oder mit viel Unterstützung.
Wie siehst du die Zukunft in 100 Jahren?
Ein kleiner Teil von mir klammert sich an der Hoffnung fest, dass es in 100 Jahren Menschen auf der Erde gibt, die tatsächlich Wege gefunden haben, mitten in der Klimakrise zu leben. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass es friedliche, schonende, lebenswerte Wege sind und dieser Gedanke ist ziemlich beängstigend. Eine Utopie wäre mir deutlich lieber oder vielleicht Hopepunk?
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!
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