Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantasten die besten Romane des Genres vor.
Platzierung im Vormonat (8)
In einer ernährungsoptimierten Gesellschaft, die Lebensmittel gerecht nach Kalorienbedarf verteilt, ist es endlich gelungen, das Bewusstsein einer Person in den Körper einer anderen zu transferieren. Doch genutzt wird diese bahnbrechende neue Technologie primär dazu, reichen Menschen das Abnehmen zu ersparen. In den Körpern ihrer Fitnesstrainer*innen können sie nämlich ein bequemes Leben führen, bis sie in den eigenen, nun gut durchtrainierten Leib zurückkehren können. Doch als der Körper einer unschuldigen jungen Frau gestohlen wird, macht sich die Schattenseite des Systems bemerkbar. Melanie Vogltanz gelingt klug, witzig und pointiert, dabei aber auch eindrucksvoll schmerzhaft, ein geradliniger und wohlkonzipierter Science-Fiction-Thriller rund um das Thema Leiblichkeit, der spüren lässt, dass es wenig persönlicheres gibt als den eigenen Körper, und sich der Frage widmet, in welchen Situationen diese persönliche Grenze überschritten wird. Dass neben Ernährungsmustern andere zentrale Handlungselemente chronische Krankheiten und die Pflege von Angehörigen sind, verleiht dem Ganzen ein Gewicht, das bei einem so kurzen Buch überrascht, sich aber zugleich vollkommen folgerichtig anfühlt. Chapeau!
Platzierung im Vormonat (4 im Mai 2020)
Knaur, 384 Seiten, broschiert, ET: 03. Juni 2019, 9,99 €.Buch kaufen bei
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Der Auftakt der Reihe über eine Rückkehr der Toten im Fantasy-Reich Tradea wartet mit zwei Protagonisten (die Heilerin und Alchemistin Mirage DeBois und den immer wieder von Rückschlägen und Degradierungen gezeichneten Erik Zejn) auf, die durch ihre Ecken und Kanten sehr speziell und individuell sind, dafür aber umso liebenswerter in ihrem Kampf gegen die Widergänger, das sie beherrschende Artefakt und die verschiedenen Interessenten am Artefakt sind. Ein spannender Auftakt, der Lust auf mehr macht.
Platzierung im Vormonat (1)
Übersetzung: Susanne Gerold, Knaur, 432 Seiten, broschiert, ET: 03. Februar 2020, 14,99 €.Buch kaufen bei
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„Brennender Fels“ ist Teil 2 von N. K. Jemisins großartiger Trilogie „Die große Stille“, und auch in der Fortsetzung geht es genauso episch weiter wie in Teil 1, „Zerrissene Erde“. In jedem Moment spannend, überraschend, und poetisch erzählt, widmet sich der Roman der Geschichte von Essun und ihrer Tochter, die in immer gewaltigere Ereignisse hineingezogen werden. Das Buch malt ein pessimistisches Panorama von Verzweiflung und schwindender Hoffnung: Noch immer ist Essun, die als Orogene für ihre Fähigkeit, Gestein zu manipulieren, gefürchtet und gehasst wird, in den Trümmern eines im Untergang begriffenen Kontinents auf der Suche nach ihrer entführten Tochter. Jemisins Roman verbindet einmal mehr ein ausgeklüngeltes Endzeitsetting mit afroamerikanischer Lebensrealität und wirft Fragen auf, denen wir uns gerade heute nicht entziehen können: Wie ertragen Menschen es, auf eine schier endlose Geschichte von Versklavung und Missbrauch zurückzublicken? Wie vererbt sich Leid und wie tief muss es sein, damit es zu Gewalt führt? Zugleich fügt sie dem ohnehin schon psychologisch tiefgehenden Problemkomplex nun eine exzellent umgesetzte Kinderfigur hinzu, die einem die Ungerechtigkeit nur noch schmerzhafter vor Augen führt. Stilsicher, feinfühlig und klarsichtig eröffnet die vielleicht wichtigste Autorin der zeitgenössischen Phantastik eine Perspektive, die zu lange unerzählt blieb.
CN: Alkoholkonsum, Blut, Body Horror, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt an Kindern, Klassismus, körperliche & psychische Gewalt, Mord, Verlust & Tod von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (1)
Laylay und Zeeto leben in einem postapokalyptischen Deutschland, in dem sich die Menschen zu unterschiedlichsten Gemeinschaften zusammengeschlossen haben: Brutale Bikergangs gibt es genauso wie Sekten und stationäre Siedlungen, die vom Handel leben und zutiefst pazifistisch und menschenfreundlich eingestellt sind. Das fragile Gleichgewicht wird jedoch gestört, als Zeeto im verseuchten Ödland ein mysteriöses Baby findet. Eine Utopie in der Dystopie, die unglaublich lustige Momente hat, die Lesenden aber auch sehr nachdenklich zurücklässt.
CN: Bipolare Neurodivergenz, Depressionen, körperliche Gewalt, Sex (explizit), sexualisierte Gewalt (erwähnt), Sklaverei (erwähnt)
Platzierung im Vormonat (2)
Übersetzung: Beate Brammertz, Heyne fliegt, 496 Seiten, gebunden, ET: 11. November 2019, 17,00 €.Buch kaufen bei
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Der Auftakt der Trilogie der US-amerikanisch-japanischen Autorin weist ein interessantes Gemisch aus exotischer Fremdheit für westliche Rezipient*innen und gleichzeitig genügend bekannte Plot- und Rollenmuster auf. Die beiden Hauptfiguren Yumeko (eine Kitsune, ein magisches Geschöpf, das sich sowohl in einen Menschen als auch einen Fuchs verwandeln und zaubern kann) und Tatsumi, ein Dämonenjäger, sind beide damit beauftragt eine magische Schriftrolle zu verschiedenen Bestimmungsorten zu bringen. Durch Täuschung gelingt es Yumeko, ihn zu überzeugen sie auf ihrer gefährlichen Reise zu begleiten. Humorvoll, spannend und voller Eindrücke in die japanische Kultur.
Platzierung im Vormonat (4)
Lena ist fasziniert von dem neuen Nachbarn, obwohl der durch seine Frisur und seine eigenwillige Kleidung schon etwas merkwürdig aussieht. Dafür hat er eine besondere Gabe, mit Vögeln zu sprechen. Vögel lieben den Georg, der deshalb schnell der „Vogelschorsch“ in Lenas Gedanken wird. Aber kommen die Menschen, die er in seinem Leben verliert, wirklich als Vögel zu ihm zurück? Der Vogelschorsch ist davon überzeugt. Doch Lena ahnt, dass er sich mit dieser Geschichte vielleicht nur aus seiner überaus grausamen und einsamen Jugend herausträumen möchte. Eigentlich ein sehr tief in der Realität verwurzelter Roman, wären da nicht die Vögel. Und wäre da nicht dieses herzzerreißende Ende, das die Magie des Vogelschorsch endgültig zu beweisen scheint. Ein literarisches Kleinod mit eindringlichen Illustrationen, mit eben diesem leisen Hauch von Phantastik, der Bücher so besonders macht.
Platzierung im Vormonat (5)
“Drei Jahre war ich unterwegs gewesen, immer auf der Suche nach dem letzten Überlebenden. Ich kam durch Dörfer, die keine Namen mehr trugen, und Städte, die so still wie ein Friedhof waren. Drei Jahre blieb ich alleine. Dann sah ich den Rauch am Horizont …” Michael Dissieux entführt uns erneut in eine nicht weit entfernte, post-apokalyptische Welt und legt vor unsere Augen einen Roman, der es ganz beiläufig schafft, dass man sich als Leser tiefgehende Gedanken über das Leben macht. Wer zum Ende dieses Werkes unberührt bleibt, sollte sich wohl Gedanken über seine eigene Psyche machen. Ein absolut überraschendes Endzeit-Drama, wundervoll erzählt und in seiner Gänze ein Meisterwerk.
Platzierung im Vormonat (7)
Leigh Bardugo, die mit “Das Lied der Krähen” bereits auf den Bestsellerlisten vertreten war, schaltet in ihrem neuen Roman einen Gang höher, was die Darstellung von Gewalt und Gekröse angeht: Ihre Protagonistin Alex, Studentin an der Universität Yale, besitzt die Fähigkeit, Geister zu sehen, und gerät in ein Mord- und Verschwörungskomplott, weil ihre Elite-Uni hinter den Kulissen und nur für Eingeweihte sichtbar von schwarzen Magiern beherrscht wird, die miteinander so manches Hühnchen zu rupfen haben. Bardugo erzählt durchweg packend – die krude Story nimmt man ihr jedoch nicht so ganz ab.
Platzierung im Vormonat (10)
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