Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantasten die besten Romane des Genres vor.
Ardoas ist die siebte Inkarnation der Elfe Naromee. Alle vor ihm sind in der Fremde auf der Suche nach den Erinnerungen ihrer vorigen Leben umgekommen, und auch Ardoas muss sich nun in die Fremde aufmachen. Dort bleibt er nicht lange allein, sondern findet bald Gefährt*innen, die ihn auf der Reise und in seinen Forschungen unterstützen. James Sullivan hat mit “Das Erbe der Elfenmagierin” epische, progressive und wholesome Fantasy geschaffen, die divers, kreativ und spannend ist. Die Story ist so voll von schönem Weltenbau und tollen Beziehungen zwischen den Charakteren, dass es ein Glück ist, dass der zweite und abschließende Band schon Ende Januar 2022 erscheinen wird.
Platzierung im Vormonat (-)
Thaniel Steepletons Tagesablauf gleicht einem Uhrwerk: Jeden Tag der selbe Trott im Innenministerium als Angestellter in der Telegrafieabteilung. Eines Tages liegt jedoch eine goldene Uhr auf seinem Kopfkissen – was für einen Einbruch spricht, der umgekehrter nicht sein könnte. Öffnen lässt sich die Uhr jedoch nicht und dennoch scheint sie etwas Besonderes zu sein… Bereits der Start dieser Geschichte lässt den Leser in die Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts eintauchen. London befindet sich am Scheideweg ins moderne Zeitalter. Natasha Pulley füttert ihre außergewöhnliche Geschichte mit der Jagd nach Bombenlegern, einer Frau, die um ihre Rechte kämpft und einem Hauptdarsteller, dessen langweiliges Leben durch das Kennenlernen eines freundlichen Japaners mit besonderen Fähigkeiten eine ganz neue Ebene beschreitet. „Der Uhrmacher in der Filigree Street“ ist eine absolut außergewöhnliche Geschichte, die sich keiner Schublade zuordnen lässt, ist sehr atmosphärisch und schafft es auf grandiose Art sogar Vielleser nicht nur zu überzeugen, sondern gar zu überraschen. Eine intelligent erzählte Lektüre, die Genreabgrenzungen nicht nur missachtet, sondern in sich aufnimmt.
Platzierung im Vormonat (-)
Eine Krankheit breitet sich aus, rasend schnell und zuvor unbekannt. Eine Ausgangslage, die wir von 2020 nur zu gut kennen. Doch die Krankheit, die Sweeney-Bird für ihren Roman beschreibt, könnte die Hälfte der Menschheit innerhalb kürzester Zeit dahinraffen, denn: Nur Männer entwickeln Symptome und sterben mit hoher Wahrscheinlichkeit. Im Vorfeld von Corona geschrieben, zeigt sich dieser Roman als sehr gut recherchiertes, ergreifendes Gedankenspiel um die Frage, ob die Menschheit sich aus dieser Lage befreien kann.
Platzierung im Vormonat (-)
Nach einem Einbruch tauchen drei Kleinkriminelle in einem leerstehenden Geschäft unter – und bekommen den Schrecken ihres Lebens: die mitternächtliche Straße ist menschenleer und dennoch werden Briefe eingeworfen, die eindeutig aus der Vergangenheit stammen. Was hat es mit dem Gebäude auf sich, das so offensichtlich den Gesetzen von Zeit und Raum widersteht, und was ist aus dem alten Herrn Namiya geworden, der es sich offenbar zur Lebensaufgabe gemacht hat, Menschen, die nicht weiterwissen, Ratschläge zu erteilen? Der japanische Krimiautor Keigo Higashino zeichnet in diesem minimalistischen Zeitreiseroman ein gefühlvolles Portrait großer Entscheidungen und ihrer Konsequenzen.
Platzierung im Vormonat (1)
Berlin in den 1920ern – ein gesellschaftliches Pulverfass. Dann entdeckt die Wissenschaftlerin Nike ein Phänomen, das die Grenzen zwischen Wissenschaft und Magie verschwimmen lässt. Politik, Parteien, Wissenschaft, Privatpersonen – jeder versucht, die neue Magie zuerst zu beherrschen und für die eigenen Ziele zu nutzen. Authentische Persönlichkeiten, ein nebulöser Mord und der Zauber von brandneuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf einem hochgefährlichen, politischen Parkett – das Buch sollte man sich definitiv nicht entgehen lassen!
Platzierung im Vormonat (2)
Estland in einer unbestimmten Zukunft: Nach einem verheerenden Krieg gegen Russland ist die nordbaltische Nation wieder Teil des Zarenreichs, ihre Sprache, Kultur und Tradition beinahe ausgelöscht. Niemand ahnt, dass sich ausgerechnet im Provinznest Viljandi Ereignisse zutragen werden, die das Schicksal neu bestimmen könnten. Denn den skurrilen Bohemiens des Städchens, die sich musik- und literaturverliebt durchs Leben erschlagen, begegnet niemand geringeres als der wiederauferstandene und noch immer nach Grab müffelnde russische Schriftsteller Nikolai Gogol. Der estnische Autor Paavo Matsin vermischt in dieser psychedelischen Gesellschaftssatire Science-Fiction-, Horror- und Popliteraturelemente, die wohl niemand bei der ersten Lektüre wird auseinanderdröseln können. Eine Intertextualität, auf die man sich einlassen muss, die dann aber zu einem der absonderlichsten Leseerlebnisse des Jahres wird.
Platzierung im Vormonat (-)
Von einem Studienaufenthalt in Paris kehrt die junge Künstlerin und Protagonistin des Romans “Die nicht sterben” mit äußerst gemischten Gefühlen nach Rumänien zurück. Rumänien ist das Heimatland, das sie mit Vlad dem Pfähler, seines Zeichens die historische Inspiration für Bram Stokers Graf Dracula, teilt. Vor Vampiren fürchtet sie sich zunächst zwar weniger, allerdings hat sie als Kind die beklemmende Zeit der kommunistischen Diktatur miterlebt. Schnell wird ihr klar, dass die Faszination, die Vlad der Pfähler immer noch auf die rumänische Bevölkerung ausübt, ihren Ursprung in der rückwärtsgewandten Sehnsucht nach dem starken Herrscher hat. Insofern scheint ihr das postkommunistische Rumänien nur oberflächlich befreit. Als wäre das an sich nicht schon unheimlich genug, findet man auf dem Grab des Grafen dann auch noch eine gepfählte Leiche: Ist die Dracula-Legende vielleicht doch keine fiktive Schauergeschichte? Gehen in Rumänien tatsächlich Vampire um? Dana Grigorcea spielt in ihrem blitzgescheit konstruierten gesellschaftspolitischen Roman virtuos auf der Klaviatur des Gothic-Genres, um das langzahnige Monster in den Köpfen ihrer Dorfbewohner sichtbar zu machen. Postmoderner Horror vom Feinsten!
Platzierung im Vormonat (-)
Hannes Steins Roman besteht aus zwölf phantastischen, die Realität und die Historie völlig verrückenden Geschichten aus verschiedenen Ländern, die der “Weltreporter” Bodo von Unruh seiner neuen Liebe Julia erzählt. Erst ganz am Ende erschließen sich ihr die Wahrheiten hinter diesen fiktiven Reportagen, die jede für sich den Möglichkeitsraum des Phantastischen in unglaublich starken Bildern ausloten.
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Das kennt man ja; immer Ärger mit dem Raum-Zeit-Kontinuum: Kaum gerät eine Passagiermaschine in unvorhergesehene Turbulenzen, schon hat sie sich samt ihrer Insassen urplötzlich verdoppelt. Die Fluggäste gibt es nun gleich zweimal. Was zunächst nach Slapstick und Klamauk klingen mag, ist tatsächlich eine meisterhafte Studie in Selbstreflexion, denn für Hervé Le Telliers Passagiere wird das Doppelgängertum zum Anlass, das eigene Leben kritisch unter die Lupe zu nehmen. Dabei gelingt dem Autor, der für dieses Werk mit dem französischen Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, ein hochphilosophischer und dennoch äußerst unterhaltsamer Roman, der neben Mainstream-Leser*innen auch den einen oder anderen Science Fiction-Fan zufriedenstellen wird.
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Lilli Thal bedient sich alter Erzähltraditionen, um ein packendes Märchen vor antiker Kulisse zu weben: Der unbedachte Fluch einer Göttin bringt Unheil über drei junge Männer, die zu Gold, zu Stein und sehend blind werden. Um sich den entfesselten Arai entgegenzustellen bedarf es mancher List und eines großen Opfers. Der zeitlos literarische Text für Menschen jedes Alters lässt von den ersten Seiten an nicht mehr los, und so ist dieses auch optisch wunderschön gestaltete Buch ein wahres Kleinod und unbedingt lesenswert!
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