Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Who you gonna call, wenn du in der rheinischen Pampa bist? Elektro Krause! Die Schwarze Elektrikerin Kassy Krause will eigentlich nur bei ihrem Vater Nobby aushelfen, doch bemerkt dort schnell, dass die Probleme nicht elektrischer, sondern übernatürlicher Natur sind. Nobby und Kassy sind Geisterjäger*innen, und auch wenn sich Kassy weder mit lebenden noch mit toten Nazi(-Geistern) herumschlagen will – ihr Vater ist da auf eine gefährliche Verschwörung gestoßen. “Elektro Krause” ist eine sarkastisch-humorvolle Urban Fantasy-Geschichte mit einem großartigen, diversen Cast!
Platzierung im Vormonat (1)
Mit ihrer Reihe “Terra Ignota”, deren erster Band jetzt endlich auf Deutsch vorliegt, erweitert Ada Palmer die Grenzen des Genres: Sie erzählt die Geschichte eines Wendepunktes der Menschheit im 25. Jahrhundert und kombiniert dabei extrem dichtes und historisch fundiertes Worldbuilding mit einer Erzählweise aus dem 18. Jahrhundert. Dabei greift sie hoch-aktuelle Themen auf, wie den sprachlichen Umgang mit einer genderneutralen Gesellschaft oder das Zerbrechen einer unzerbrechlich geglaubten Ordnung. So wirkt der Roman universell und philosophisch. Keine einfache Lektüre, aber definitiv lohnenswert.
(CN: Sex, Mord und Gewalt, Trauma, Verlust der Familie)
Platzierung im Vormonat (-)
Das Viking Age in all seiner blutigen, patriarchal vergifteten Pracht: Eyvor Unträumbar baut für die Meeresgöttin Rán in einem abgelegen Fjord ein Drachenboot. Sie wird belächelt, doch bald schließen sich ihr immer mehr Außenseiterinnen an, die das Werk gemeinsam vollenden. Für die Frauen beginnt eine phantastische Reise, auf der sie in einem nordischen Atlantis ein göttlicher Auftrag erwartet: Ragnarök, das Ende der Welt zu verhindern. Ihr Ziel: Das Land der Eisriesen. Bedrohlicher als Ragnarök sind die Berserker, die die Frauen verfolgen und sich einen erbarmungslosen Wettstreit mit ihnen liefern. Der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung ist brutal und schmerzhaft, umso schöner und hoffnungsvoller ist das Zusammenwachsen der Schicksalsgemeinschaft, auf die im Finale einige Überraschungen warten …
Platzierung im Vormonat (-)
Eine KI, die Bewusstsein entwickelt und sich dann aufmacht, um die Probleme dieser Welt zu lösen – ganz ohne Gewalt, nur über ökonomische Prozesse. Was zu schön klingt, um wahr zu sein, ist tatsächlich der Hintergrund von Theresa Hannigs Utopie „Pantopia“. Aber natürlich ist das alles nicht so einfach, schließlich ist da noch die menschliche Komponente: die Entwickler:innen zweifeln und die offiziellen Stellen misstrauen. Ihre Fehleinschätzungen, Lügen und persönliche Agenden treiben die Handlung voran und erhalten die Spannung des Romans trotz des gewissen utopischen Ausgangs aufrecht. Und auch die KI Einbug legt nicht alle Karten auf den Tisch. Eine Utopie, die Mut macht!
Platzierung im Vormonat (5)
Ardoas ist die siebte Inkarnation der Elfe Naromee. Alle vor ihm sind in der Fremde auf der Suche nach den Erinnerungen ihrer vorigen Leben umgekommen, und auch Ardoas muss sich nun in die Fremde aufmachen. Dort bleibt er nicht lange allein, sondern findet bald Gefährt*innen, die ihn auf der Reise und in seinen Forschungen unterstützen. James Sullivan hat mit “Das Erbe der Elfenmagierin” epische, progressive und wholesome Fantasy geschaffen, die divers, kreativ und spannend ist. Die Story ist so voll von schönem Weltenbau und tollen Beziehungen zwischen den Charakteren, dass es ein Glück ist, dass der zweite und abschließende Band schon Ende Januar 2022 erschienen ist.
Platzierung im Vormonat (2)
Die Geschichte der Amazonen – mal anders erzählt. Die Autorin bringt einen neuen Blickwinkel auf das kriegerische Volk der Amazonen in der Zeit vor und während des Trojanischen Krieges. Sie schildert die Amazonen als starke, kriegerische Frauen, aber auch als normale Menschen mit Fehlern und Schwächen. Und trotz aller Macht und Stärke sind beide Seiten in diesem Krieg doch nur Spielball der Götter!
Platzierung im Vormonat (4)
Dass Großstädte sich mitunter anfühlen wie riesige Lebewesen, inspiriert diese Hommage der afroamerikanischen Autorin N. K. Jemisin an ihre Heimatstadt New York. Darin werden Metropolen geboren, wachsen heran und manifestieren ihr Bewusstsein in einem Avatar, der das Lebensgefühl der gesamten Stadt in sich verkörpert. Als bei der Geburt der New Yorks etwas schiefgeht und eine finstere Macht versucht, die verletzliche junge Stadt zu übernehmen, müssen die notdürftig erweckten Avatare der fünf Stadtbezirke sich zusammentun, um das Schlimmste zu verhindern. In diesem Urban-Fantasy-Setting mit Horrorelementen erweist sich die Autorin der gefeierten Broken-Earth-Trilogie erneut als ein versatiles Ausnahmetalent, das zurecht zu den wichtigsten zeitgenössischen Phantastikautor*innen gezählt wird.
Platzierung im Vormonat (-)
Niemals erwachsen werden, für alle Zeiten mit den Freunden in Nimmerland aufregende Abenteuer erleben und keine Erwachsenen, die dich in die Schule oder ins Bett schicken – die Geschichte von Peter Pan, dem Jungen, der immer Kind bleibt, war wohl der literarische Figur gewordene Traum manchen Schulkindes. In diesem Roman allerdings verkehrt die Autorin Christina Henry die schillernde Wunschvorstellung ins Alptraumhafte: Der titelgebende Peter Pan ist ein gemeiner Nesträuber, der seine “verlorenen Jungs” aus dem Elternhaus lockt, um sie in Nimmerland mit fiesen Psychospielchen unter sein Kommando zu zwingen. Dabei geht die Autorin durchaus nicht zimperlich vor, wenn der eine oder andere von Peters Mannschaft von der eigenen Peer Group abgemurkst wird, weil der ewig präpubertäre Anführer, dem es zu gefallen gilt, das anordnet. Fans der Dark Fantasy, die einen Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur aus neuer Perspektive erleben wollen und dabei die härtere Gangart zu schätzen wissen, kommen voll auf ihre Kosten.
Platzierung im Vormonat (10)
Beklemmend aktuell wirkt die Dystopie, die im Amerika des Jahres 2032 spielt und das Schicksal von Immigranten anhand der traumatischen Flucht der 16jährigen Protagonistin Vali und ihres kleinen Bruders schildert: Denn jeder, der nicht mit einem implantierten ID-Chip versehen ist, der eine lückenlose Überwachung garantiert, wird verfolgt und in grauenvolle, an Guantanamo erinnernde Lager abgeschoben. Die Flucht der beiden Geschwister quer durch ein nationalistisch-rechtsextremes Amerika, aufgehetzt durch einen Präsidenten, der unverhohlen trumpartige Züge aufweist, hat ein reales Ziel: Kalifornien, den einzigen Bundesstaat, der sich der totalen Kontrolle entzogen hat und deshalb durch eine hohe Mauer vom Rest Amerikas abgetrennt wird. Die einzige Hoffnung in diesem Alptraum sind die jugendlichen Flüchtlinge, die trotz ihrer inneren und äußeren Verletzungen noch Kraft für Visionen und Veränderungen haben.
Platzierung im Vormonat (-)
Authentisch erzählt Femi Fadugba den Alltag eines Schwarzen Jugendlichen, der zwischen die Fronten von rivalisierenden Gangs gerät und durch einen Autounfall die Fähigkeit erlangt, die Zukunft zu erahnen. Um diese zu ändern braucht es ziemlich viele physikalische Kenntnisse. Die sind so in die Geschichte eingewoben, dass sie keineswegs stören, sondern einem das Gefühl geben, endlich zu verstehen, wie das mit der Relativitätstheorie funktioniert. Packende Science Fiction im besten Sinne!
Platzierung im Vormonat (7)
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