Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Mit ihrer Reihe “Terra Ignota”, deren erster Band jetzt endlich auf Deutsch vorliegt, erweitert Ada Palmer die Grenzen des Genres: Sie erzählt die Geschichte eines Wendepunktes der Menschheit im 25. Jahrhundert und kombiniert dabei extrem dichtes und historisch fundiertes Worldbuilding mit einer Erzählweise aus dem 18. Jahrhundert. Dabei greift sie hoch-aktuelle Themen auf, wie den sprachlichen Umgang mit einer genderneutralen Gesellschaft oder das Zerbrechen einer unzerbrechlich geglaubten Ordnung. So wirkt der Roman universell und philosophisch. Keine einfache Lektüre, aber definitiv lohnenswert.
(CN: Sex, Mord und Gewalt, Trauma, Verlust der Familie)
Platzierung im Vormonat (1)
Dass Großstädte sich mitunter anfühlen wie riesige Lebewesen, inspiriert diese Hommage der afroamerikanischen Autorin N. K. Jemisin an ihre Heimatstadt New York. Darin werden Metropolen geboren, wachsen heran und manifestieren ihr Bewusstsein in einem Avatar, der das Lebensgefühl der gesamten Stadt in sich verkörpert. Als bei der Geburt New Yorks etwas schiefgeht und eine finstere Macht versucht, die verletzliche junge Stadt zu übernehmen, müssen die notdürftig erweckten Avatare der fünf Stadtbezirke sich zusammentun, um das Schlimmste zu verhindern. In diesem Urban-Fantasy-Setting mit Horrorelementen erweist sich die Autorin der gefeierten Broken-Earth-Trilogie erneut als ein versatiles Ausnahmetalent, das zurecht zu den wichtigsten zeitgenössischen Phantastikautor*innen gezählt wird.
Platzierung im Vormonat (5)
Die Geschichte der Amazonen – mal anders erzählt. Die Autorin bringt einen neuen Blickwinkel auf das kriegerische Volk der Amazonen in der Zeit vor und während des Trojanischen Krieges. Sie schildert die Amazonen als starke, kriegerische Frauen, aber auch als normale Menschen mit Fehlern und Schwächen. Und trotz aller Macht und Stärke sind beide Seiten in diesem Krieg doch nur Spielball der Götter!
Platzierung im Vormonat (7)
Im ersten Teil ihrer High-Fantasy-Dilogie „A Song of Wraiths and Ruin – Die Spiele von Solstasia“ führt uns die Autorin Roseanne A. Brown in die magische Welt des Königreichs Sonande, die von westafrikanischer Kultur und Folklore inspiriert ist. Neben einer Liebesgeschichte, die sich in berauschend mythischen Gefilden abspielt, thematisiert Brown Klassismus, Sexismus und Rassismus. Progressive Fantastik vom Feinsten!
CN: Selbstverletzung, Mord und Gewalt, Trauma, emotionaler und körperlicher Missbrauch, Verlust der Familie
Platzierung im Vormonat (-)
Das Viking Age in all seiner blutigen, patriarchal vergifteten Pracht: Eyvor Unträumbar baut für die Meeresgöttin Rán in einem abgelegen Fjord ein Drachenboot. Sie wird belächelt, doch bald schließen sich ihr immer mehr Außenseiterinnen an, die das Werk gemeinsam vollenden. Für die Frauen beginnt eine phantastische Reise, auf der sie in einem nordischen Atlantis ein göttlicher Auftrag erwartet: Ragnarök, das Ende der Welt zu verhindern. Ihr Ziel: Das Land der Eisriesen. Bedrohlicher als Ragnarök sind die Berserker, die die Frauen verfolgen und sich einen erbarmungslosen Wettstreit mit ihnen liefern. Der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung ist brutal und schmerzhaft, umso schöner und hoffnungsvoller ist das Zusammenwachsen der Schicksalsgemeinschaft, auf die im Finale einige Überraschungen warten …
Platzierung im Vormonat (4)
Berlin in den 1920ern – ein gesellschaftliches Pulverfass. Dann entdeckt die Wissenschaftlerin Nike ein Phänomen, das die Grenzen zwischen Wissenschaft und Magie verschwimmen lässt. Politik, Parteien, Wissenschaft, Privatpersonen – jeder versucht, die neue Magie zuerst zu beherrschen und für die eigenen Ziele zu nutzen. Authentische Persönlichkeiten, ein nebulöser Mord und der Zauber von brandneuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf einem hochgefährlichen, politischen Parkett – das Buch sollte man sich definitiv nicht entgehen lassen!
Platzierung im Vormonat (4, 02/2022)
Eine Legion zerfallender Weltenschiffe und zwei Frauen, die einen verzweifelten Plan für die Zukunft haben: Die Fäulnis zerfrisst die organischen, planetenähnlichen Schiffe wie Krebs. Um zu überleben, schlachten sich die Welten am Rand der uralten Legion gegenseitig aus und tauschen Menschen. Soldatin Zan scheitert immer wieder dabei, die Verteidigungssysteme der begehrten Mokshi zu überwinden. Jedes Mal kehrt sie ohne Erinnerung zurück und wird von ihrer Schwester Jayd erneut in den Kampf geschickt. Als Zan den Zorn ihres Lords auf sich zieht, wird sie recycelt und muss sich durch die blutigen und schleimigen Eingeweide des Schiffes zurück an die Oberfläche kämpfen. In der allgegenwärtigen Fäulnis entdeckt Zan vielfältige Wunder und Monster und erhält Unterstützung von Frauen, die nichts von dem erbitterten Kampf an der Oberfläche wissen. „Der Sterne Zahl“ ist ein außergewöhnlicher SF-Roman, in dem Frauen jede gesellschaftliche Position ausfüllen und regelmäßig von selbst schwanger werden. Dabei gebären sie nicht nur Kinder, sondern auch Dinge, die die Weltenschiffe brauchen. Kameron Hurley hat eine gleichermaßen abstoßende wie faszinierende Vision einer fernen Zukunft geschaffen, die von Geburt, Tod, Liebe und Freiheit erzählt …
Platzierung im Vormonat (9)
Drei sehr unterschiedliche Reisende stranden auf einem Transit-Planeten. Was eigentlich nur ein kurzer Zwischenstopp in einem ‚Motel‘ sein sollte, wird ein mehrtägiger Aufenthalt, in dem sich die drei und ihre zwei Gastgeber notgedrungen intensiver aufeinander einlassen müssen, als sie das eigentlich vorhatten. Aus dieser Situation spinnt Becky Chambers ein feines erzählerisches Geflecht, in dem es eben nicht um die großen Heldentaten geht, sondern um die alltäglichen Sorgen und Interaktionen der Aliens, die für ein paar Tage zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengefügt werden.
Platzierung im Vormonat (-)
Die Wochenzeitung „The Stranger Times“ bezeichnet sich selbst als die erste Adresse für alles Unerklärliche. Als Hannah Willis, frisch auf eigenen Füßen stehend, in die Redaktion stolpert, ahnt sie nicht, dass einige dieser außergewöhnlichen Fälle viel realer sind, als ihr lieb ist. Und noch bevor sie es sich anders überlegen kann, steckt sie mitten in einer brinsanten Recherche über Monster, uralte Geister und Toiletten, aus denen der Teufel sprechen soll. Und über sehr bizarre Todesfälle … Ein phantastischer Krimi mit grandios skurrilen Hauptfiguren und herrlich britischem Humor – großes Lesevergnügen, das ungeduldig auf die Bände 2 und 3 warten lässt!
Platzierung im Vormonat (-)
Die Verlagswerbung zum ersten Band von Mark Stays Trilogie “Die Hexen von Woodville” verspricht eine Handlung um ein kleines Dorf in Kent, in dem eine junge Hexe ihre Macht entdeckt und die Bedrohung durch ein uraltes Rabenvolk abwendet – angeblich “ein mitreißendes Abenteuer”. Das klingt düster und spannend zugleich und weckt zudem große Erwartungen, die der Roman dann allerdings nur eingeschränkt bedienen kann. Interessant ist die Mischung aus Fantasy und historischem Roman, denn Autor Mark Stay siedelt die Handlung im beginnenden Zweiten Weltkrieg an. Die deutsche Bedrohung wird an der einen oder anderen Stelle auch durchaus spürbar, spielt für das eigentliche Geschehen letztlich allerdings nur eine sehr untergeordnete Rolle. Im Zentrum desselben steht die siebzehnjährige Faye Bright, die ein Buch ihrer verstorbenen Mutter entdeckt. Fayes Mutter war offenbar eine Hexe – und natürlich besitzt auch Faye magische Kräfte, die es nun langsam zu entwickeln gilt. Langsam und beschaulich entwickelt sich dann auch die leider nur wenig unheimliche Handlung um zum Leben erwachte dämonische Vogelscheuchen. Eine bedrohliche Atmosphäre will angesichts der familientauglichen, allzu zahmen und kindlichen Beschreibung der dämonischen Kräfte nicht so recht aufkommen, und statt im versprochenen “mitreißenden Abenteuer” finden die Leser*innen sich auf einer vor sich hintuckernden Bimmelbahn-Reise durchs Märchenland wieder. Dennoch hat Mark Stays einfacher, aber effektvoler Erzählrhythmus einen gewissen Charme zu bieten. Wem es bei “Harry Potter” gegen Ende schon zu sehr zur Sache ging, kann deshalb mit “Die Hexen von Woodville” eine abgemilderte Version in einem märchenhafteren, harmloseren Setting erleben.
Platzierung im Vormonat (-)
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