Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Drei sehr unterschiedliche Reisende stranden auf einem Transit-Planeten. Was eigentlich nur ein kurzer Zwischenstopp in einem ‚Motel‘ sein sollte, wird ein mehrtägiger Aufenthalt, in dem sich die drei und ihre zwei Gastgeber notgedrungen intensiver aufeinander einlassen müssen, als sie das eigentlich vorhatten. Aus dieser Situation spinnt Becky Chambers ein feines erzählerisches Geflecht, in dem es eben nicht um die großen Heldentaten geht, sondern um die alltäglichen Sorgen und Interaktionen der Aliens, die für ein paar Tage zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengefügt werden.
Platzierung im Vormonat (1)
Auf dem Neptunmond Athos stirbt ein Mönch. Hat die Steuerungs-KI versagt? Oder stecken die Brüder dahinter? Inquisitor Rüd Kartheiser soll den Ethikeinstellungen der KI auf den Zahn fühlen. Dabei muss er auch das Verhältnis zu seiner persönlichen KI-Assistentin klären, die ihm nur helfen kann, wenn er ihr größere Freiheiten gewährt, als die Lage schließlich eskaliert. Tiefsinnige und vielschichtige SF!
Platzierung im Vormonat (4)
Für ihre Mars-Mission gehen ESA-Astronaut Marlon, Bioinformatikerin Rain und Ingenieurin Sunita eine Space-Symbiose ein. Ihre Reise führt sie jedoch am roten Planeten vorbei zum Saturnmond Titan, wo sie einem Notsignal folgen und auf eine illegale Forschungsstation stoßen. Dort erwartet sie Wissenschaftlerin Verve, die in einem gigantischen Methansee biologische Experimente durchführt und eine neue Evolution in Gang setzt. So verändern die Menschen den Titan – doch der Titan verändert auch sie …
Platzierung im Vormonat (9)
Ein absolut ungewöhnliches Buch für Leute, die Bücher, Phantastik, Videogames und/oder Visual Novels lieben! Aislyn lebt in einer Welt, in der man in Bücher eintauchen und sie wie Videospiele durchspielen kann. Doch nicht alle Bücher dienen der Erholung. Es gibt auch Strafbücher, die Verurteilte durchleben müssen, um geläutert zu werden. Als Aislyn auf der Suche nach der Bedeutung von Simas Fluch in so ein Buch gerät, beginnt eine ungewöhnliche, faszinierende und clever konstruierte Geschichte.
Platzierung im Vormonat (-)
Einem Menschen mit medizinischen Mitteln Erinnerungen entnehmen und sie ggf. anderen einpflanzen zu können, birgt nicht nur die Möglichkeit, psychische Erkrankungen zu heilen, sondern ist auch eine (ethisch heftig umstrittene) lukrative Einnahmequelle. Mika verkauft schöne Erinnerungen, scheinbar ohne den Verlust zu spüren. Erst als er seiner Kindheitsfreundin Lynn begegnet, an die er sich nicht mehr erinnern kann, merkt er, was ihm fehlt. Doch kann er einfach so aufhören?! Eine spannende near-future-fiction mit Tiefgang, die auch lange nach dem Lesen nicht loslässt!
Platzierung im Vormonat (-)
Die besten Aspekte von Mad Max: Fury Road treffen auf ein leibnizianisches Viele-Welten-Problem: Ein genialer Wissenschaftler hat einen Weg gefunden, alternative Realitäten zu bereisen. Doch das Nichts zwischen den Welten überlebt nur, wer am Zielort bereits tot ist, weshalb mittellose Menschen aus den postapokalyptischen Slums jenseits der Stadtmauern als Gesandte rekrutiert werden. Eine davon ist Cara, die versehentlich in einer falschen Welt landet und einem dunklen Geheimnis auf die Spur kommt. Autorin Micaiah Johnson haucht der bewusst klischeehaften Raumsemantik neues Leben ein, indem sie die Charaktere in alle Möglichkeiten ihrer selbst auffächert. Ein Kunstgriff!
Platzierung im Vormonat (-)
Solider Fantasy-Einzelband aus der Schweiz, mit einer Protagonistin, die auch mal menstruiert! Barbara Tapasco entführt uns nach Korasi, wo eine Seuche um sich greift, gegen die niemand ein Heilmittel hat. Nicht einmal die Nemeton, die Elite der Pflanzenkundigen, die eine ganz besondere Verbindung zu den Bäumen haben. Die junge Spitzenklöpplerin Wanere wäre gerne eine von ihnen, denn auch sie ist in der Lage, die Bäume zu spüren. Doch das bringt sie in große Gefahr. Besonders, als der König schwört, sie und andere Parasiten auszurotten.
Platzierung im Vormonat (10)
In einem Haus in der Republik Moldau versammelt ein mysteriöser Brettspiele-Entwickler namens Spyderling acht Kolleg*innen, darunter Daytona Sepulveda, die Protagonistin und Ich-Erzählerin des Romans. Die Spieleentwickler-Gemeinschaft weiß nicht so recht, zu welchem Zweck sie zusammengetrommelt wurde, denn Spyderling will einfach nicht erscheinen. Dafür taucht ein nicht weniger mysteriöses Brettspiel namens MAUNSTEIN auf, das es in sich hat: Auf höchst unangenehme Weise verschiebt es die Grenzen der Realität. Eine gewitzte Reflexion auf den menschlichen Spieltrieb zwischen ludischem Spaß und tödlichem Ernst, die sich in kein Genre einordnen lässt.
Platzierung im Vormonat (-)
“Das unglaubliche Leben” beginnt für den knallharten und empathielosen Erfolgsanwalt Wallace Price erst, nachdem er mit einem Herzversagen tot umfällt. Von liebenswert skurrilen Typen, wie den Wächter Hugo und der Sensenfrau Mei, in einem Zwischenreich in Form einer Teestube begleitet, muss er beginnen, über den Sinn seines Lebens nachzudenken. In diese Suche nach Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, nach Wiedergeburt, nach Großem und ganz Persönlichem ‒ auch nach der großen Liebe ‒ wird der Leser auf sowohl äußerst unterhaltsame, jedoch auch philosophisch-nachdenkliche Weise mitgenommen.
Platzierung im Vormonat (-)
Mit “Pantopia” widmet die (wie man mittlerweile schon sagen darf) Fantasy- und SciFi-Veteranin Theresa Hannig sich einem für Autor*innen der Fantastik ungewöhnlichen Thema: dem Finanzmarkt bzw. Börsensektor oder, in anderen Worten, dem globalen Wirtschaftssystem. Das Thema hat sie betriebswirtschaftlich mustergültig recherchiert, und mit dem gewohnt souveränen Schreibstil gelingt es Hannig einmal mehr, sich positiv von der Genre-Konkurrenz abzuheben. Eine in düsteren Zeiten dringend benötigte positive Zukunftsvision.
Platzierung im Vormonat (7, 07/22)
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