Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Iva Moors Debütroman “Die Alchemie des Träumens” ist ein fantastischer Urban Noir-Roman, in der Träume und Traumata, Leben und Überleben und Musicalsongs im New York der 40er Jahre ihren Platz suchen. Mental Health, chronische Krankheiten, Drogensucht, Exklusion in magischen Communities, Spagat(e) auf dem politischen Parkett und schnufflige Parasiten überborden den aggressiv-nervenaufreibenden Tanzplot zwischen den Protagonistinnen Moira Bran und Sova Skorpin – wie es zwischen Dämoninnen und Hexen halt immer so ist.
CN: Rassismus, Drogen, PTBS, Gewalt, Menschenexperimente
Platzierung im Vormonat (-)
Mexiko, 1950: Als Noemí einen verstörenden Brief ihrer Cousine Catalina erhält, eilt sie sofort zu ihr in ein Herrenhaus, das abgelegen vor sich hin modert. High Place gehört der englischen Familie Doyle, die Noemí gar nicht gern aufnimmt. Doch als Noemí erfährt, was es mit Haus und Familie auf sich hat, ist sie schon tief eingetaucht in etwas Ungeheuerliches. Moreno-Garcia benutzt alte Horrortropes und kleidet diese in ein frisches, rassismus- und kolonialismuskritisches, feministisches Gewand.
Platzierung im Vormonat (-)
Als Kenji stirbt, bleiben seine Frau Annabelle und Sohn Benny tief traumatisiert zurück. Annabelle verliert die Kontrolle über die Menge an Dingen in ihrem Haus und Benny beginnt die Stimmen dieser Dinge zu hören. Die Schuhe, die Vorhänge, die Fensterscheiben. Sie alle haben plötzlich etwas zu sagen! Als eine Schere aufmüpfig wird und er sich damit selbst verletzt, wird ihm eine psychische Störung diagnostiziert und er muss in eine Klinik. Dort trifft er Aleph, ein wunderschönes Mädchen, das ihn später mitnimmt in ihre Welt auf der Straße. Sie zeigt ihm die Wichtigkeit von Kunst, die Vielfalt von Büchern und vor allem hält sie ihn nicht für verrückt. Ein Coming-of-Age Buch eines Jungen, das die Leidensgeschichte einer verstörten Mutter mit japanischer Zen-Philosophie und amerikanischem Zeitgeschehen zu verbinden weiß.
Platzierung im Vormonat (2)
Ein surrealer Zeitkrieg und eine atemberaubende SF-Liebesgeschichte: Rot blickt über das Schlachtfeld, Blut in den Haaren, keine Überlebenden. Im Auftrag der Agentur hat sie dafür gesorgt, dass niemand all die Zukünfte, in denen die Agentur herrscht, verhindern kann. In einem Krater entdeckt sie etwas Unerwartetes: ein cremfarbenes Stück Papier, einen Brief ihrer Erzfeindin Blau, die ihre Pläne vereitelt hat – und Rots Neugier geweckt. Es entbrennt ein intimer Briefwechsel, in dem sie sich gegenseitig ihre Überlegenheit demonstrieren und ihre Botschaften in verschiedensten Zeitaltern verstecken. In Vogelfedern, kochendem Wasser oder auch giftigen Beeren. Bald wandelt sich die Feindschaft in Bewunderung, Vertrauen und Leidenschaft …
Platzierung im Vormonat (9)
Blutige Action, abscheuliche Monster und eine ordentliche Portion Body Horror: Bei Nebulapreisträger P. Djèlí Clark werden die Grauen von Jim Crow zu einer Zombiegeschichte, in der eine Gruppe Schwarzer Widerstandskämpfer*innen es mit dem Ku-Klux-Klan und boshaften Mächten aus einer anderen Dimension aufnehmen müssen. Während er die traumatische Geschichte der Sklaverei nicht beschönigt, macht er sie auch nicht zum Mittelpunkt und erinnert daran, dass in der afroamerikanischen Vergangenheit nicht nur Schmerz zu finden ist, sondern auch fast vergessene Traditionen wie der Ring Shout und eine starke gemeinsame Identität, aus der die Protagonistin ihre Kraft zieht. Eine Verneigung vor der Resilienz einer Kultur, die selbst unter furchtbarsten Bedingungen allen Auslöschunsgversuchen getrotzt hat.
CN: Drastische Gewalt, Bodyhorror, rassistische Sprache (u.A. N-Wort)
Platzierung im Vormonat (1)
Der dritte Teil des düsteren Fantasy-Märchens knüpft unmittelbar an das Ende des zweiten Bandes an. Die Stärke von Ronnefeldts Prosa liegt in der Beschreibungssprache: Großartig ist es, wie sie sich auf den ersten Seiten Zeit nimmt, durch die Augen ihres Protagonisten Bendix eine Winterlandschaft zu beschreiben. Während andere Autor*innen mit Action-Szenen in die Handlung einsteigen, zeigt Ronnefeldt ein Stillleben und baut Atmosphäre auf. Wenn sich allmählich die Spannung steigert, hängt man als Leser*in schon längst am Haken. Slow-Food-Phantastik statt Fantasy vom Reißbrett.
Platzierung im Vormonat (-)
Der Etikette verachtende junge Prinz Tibald aus einem Land, das weder Duelle noch Kriege kennt, sieht sich nach dem Ende einer mehrjährigen Seereise mit Intrigen und dem Kampf um die Krone bedroht. Ihm zur Seite steht Ema, die sich als Schiffsjunge an Bord seines Schiffes geschlichen und sich dort erfolgreich behauptet hatte. Ihre dunklen Male und Narben lassen eine dunkle Vergangenheit ahnen. Kaum spürbar hüllt sich die Romanhandlung in ein zartes Gespinst aus Lichtmagie, in die schleichend das Dunkel alter Geschichten drängt … Von hoher literarischer Qualität und mit einem Cliffhanger, der auf die Fortsetzung hinfiebern lässt.
Platzierung im Vormonat (-)
Neongrau schillernder, moderner Cyberpunk: Hamburg trotzt 2112 wiederkehrenden Fluten und Starkregen. Stadtteile wurden aufgegeben, neue errichtet. Slums aus Containern schwimmen auf dem Wasser – ebenso wie das gigantische ZONE-Stadium, wo Skater*in Go [Stuntboi] Kazumi für zwei der berühmtesten Glam-Gamer der Welt arbeitet. Die Rahmani-Geschwister sind gefeierte Stars, die ihre Rollen perfekt spielen, hinter ihren Fassaden jedoch streiten und zerbrechen. Während die Stadt sich auf das „Turnier der Legenden“ vorbereitet, führt Gos Identitätssuche sie/ihn in die Arme der mysteriösen ELLL – und in eine Schattenwelt illegaler Flasharenen, Cyberdrogen und einer KI, die über sich hinauswächst …
CN: Körperliche & psychische Gewalt, Alkohol- & Drogenkonsum, Rassismus, Sexismus, Stalking, Transfeindlichkeit
Platzierung im Vormonat (-)
Die Städte sind überfüllt, der Müll ein großes Problem und die Luft ist nicht mehr atembar – all das macht die Menschen in einer nicht näher beschriebenen Zukunft krank. Doch es gibt eine Lösung: In einem Reservat sollen Menschen wie Jäger und Sammler leben und zeigen, dass eine Rückkehr möglich ist. Um ihre Tochter zu retten, nimmt Bea an diesem Experiment teil. Doch auf wen kann sie sich verlassen? Und wie lange wird diese Illusion der Idylle halten?
Platzierung im Vormonat (-)
In „Unsterblich sind nur die anderen“ geht Simone Buchholz mit vielen popkulturellen Anspielungen dem (Un-)Sinn des ewigen Lebens nach und verpackt es in einen Segelroman, in der das Patriarchat, die Autonomie des weiblichen Sexualbegehrens und Mutterschaft in unterschiedlichen Zeitebenen verortet und seziert werden: „ … endloser Spaß wird halt auch schnell langweilig.“ Ein Vorzeigeroman des jungen Genres der Schiffsbudologie, der mit Schwanzflosse und Selkiefell „Smash the patriarchy!“ schreit – oder segelt.
Platzierung im Vormonat (7)
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