Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
In „Equilon“ lotet Sarah Raich die Konsequenzen der Klimakatastrophe in einem Near Future Setting aus. Dorian, Jenna und Co. versuchen in einer feindlichen Welt mit kochenden Meeren gegen menschliche Hürden wie Klimarassismus und -klassismus zu bestehen. Nur wer den Score des Algorithmus Equilon erreicht, darf ins komfortable New Valley – die Stadt der wissenschaftlichen Elite, die über das Leben der restlichen Bevölkerung bestimmt. Doch wer oder was definiert wirklich die Kriterien des Algorithmus? „Equilon“ ist eine erschreckende und lesenswerte Zukunftsstudie über die Gefährlichkeit von kalter Wissenschaftlichkeit, White Privilege, Speziezismus und essentialisierender Menschenfeindlichkeit.
CN: Ableismus, Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, körperliche & psychische Gewalt
Platzierung im Vormonat (7)
Die Sagenwelt der griechischen Götter ist durchdrungen von toxischer Maskulinität, Rape Culture und sexualisierter Gewalt. In ihrem Debüt „Verdammt lebendig: Medusa“ geht Lucia Herbst mit den Olympiern ins Gericht und verhilft der nun sprech- und sprachfähigen Medusa zur Gerechtigkeit. Herbst seziert die dubiose Götterwelt aus der Sicht der sagenumwobenen Gorgone und räumt im doppelten Sinne mit den gängigen Vergewaltigungsmythen auf – und das mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und ohne effekthascherischen Male Gaze oder missbräuchlichen Misery Porn-Allüren. Götter- & Urban-Fantasy meets #MeToo vom Feinsten!
CN: Körperliche & psychische Gewalt, Misogynie, PTBS, Schlangen, Sexismus, Vergewaltigung
Platzierung im Vormonat (-)
Wie wurde die böse Königin böse? War sie immer schon so ein widerwärtiges Monster? Oder werden Monster erst von anderen Monstern gemacht? In „Im Spiegel starb ihr Herz“ greift Xenia Winterwoods das Märchen von Schneewittchen als feministische Dark Fantasy neu auf und beleuchtet die verheerenden Ausmaße von toxischer Maskulinität. Können Snow Mare, Königin Cormea und Prinz Demetrius im falschen System überhaupt gerecht und gütig handeln, oder sind emanzipatorisch selbstbestimmte Happy Ends für Frauen im patriarchalen Despotismus der Märchenwelten nichts weiter als infame Lügen? Ein gelungenes Debüt, das unter die Haut geht.
CN: Diskriminierung von Menschen mit Kleinwuchs, körperliche & psychische Gewalt, PTBS, Sexismus, Suizidalität, Vergewaltigung
Platzierung im Vormonat (-)
Laylay, Zeeto und Baby Mtoto reisen mit dem Motorrad durch ein in Trümmern liegendes Europa – auf der Suche nach Heilung für die Wastelandkrankheit, die Zeeto mit jedem Tag mehr zusetzt. Sie lassen die toxischen Gangs im Rheinland hinter sich und finden in Polen Laylays Mutter, die sich ein eigenes Terrorcamp auf einem Flughafen errichtet hat und Geflüchtete als Sklaven hält. „Laylayland“ ist die Fortsetzung von „Wasteland“ und eine Aneinanderreihung von Katastrophen. Doch es gibt auch Hoffnung und Menschlichkeit in der Postapokalypse …
CN: Blut, Depressionen, Epidemie, Flucht, Gefangenschaft, Gewalt
Platzierung im Vormonat (-)
Die Jägerin Danyla schießt einen Pfeil und trifft — das falsche Ziel. Der verletzte Fremde wird in ihrem Dorf wieder gesund gepflegt und ab nun liegt es in Danylas Verantwortung, ihre Schuld wiedergutzumachen. Autorx Jol Rosenberg schreibt in “Das Geflecht” über die Kolonialisierung und Ausbeutung des Planeten Rusal. Mit Danyla und einigen weiteren Perspektivfiguren lesen wir über tiefe Verbundenheit mit der Natur und darüber, wie Kommunikation zwischen völlig fremden Personen funktionieren kann oder eben: nicht. Rosenberg hat hier einen Planeten und Kulturen geschaffen, die von Seite zu Seite dichter und spannender werden.
CN: Körperliche Gewalt, Sexismus, Misogynie, Fremdenfeindlichkeit
Platzierung im Vormonat (2)
Wer am Rand des Feenreichs lebt, hält sich besser an die herrschenden Regeln. Das wird Farah und ihrem jüngeren Bruder von klein auf eingebläut. Doch manchmal müssen Regeln gebrochen werden, um zu überleben. Und manchmal rettet uns, was uns am meisten ängstigt. Doch um welchen Preis? Und vor allem: warum?! Dem Märchen vom Rumpelstilzchen haucht Christian Handel mit dieser atmosphärischen Adaption neues Leben ein – spannend, verstörend und zutiefst berührend!
Platzierung im Vormonat (-)
Brot und Spiele für die Massen in einer von Augmented Reality beherrschten Welt! So könnte der aktuelle Roman von Anika Beer zusammengefasst werden. Will man es noch einfacher beschreiben, ginge auch „Ready Player One“ meets „Tribute von Panem“ und das Ergebnis dann zum Quadrat mit dem Mittelwert von „Inception“ und „Matrix“. Die Lesenden können im Jahre 2054 live das populäre Escape Room-Spiel „Succession Game“ verfolgen, bis am Ende nur ein*e Sieger*in übrig bleibt. Doch zu welchem Preis? Und ist das Ganze überhaupt real? Oder legal? Anika Beer öffnet in ihrem in geschlechtergerechter Sprache verfasstem Roman auf höchstspannender Weise einen „Fluchtraum“ für akute Fragen der Gesetzgebung und Ethik, die angewandte virtuelle Realität und künstliche Intelligenz mit sich bringen.
CN: Körperliche & psychische Gewalt, Experimente an Menschen, Alkohol- & Drogenkonsum
Platzierung im Vormonat (1)
Ein Neongrau schillernder, moderner Cyberpunk: Hamburg trotzt 2112 wiederkehrenden Fluten und Starkregen. Stadtteile wurden aufgegeben, neue errichtet. Slums aus Containern schwimmen auf dem Wasser – ebenso wie das gigantische ZONE-Stadium, wo Skater*in Go [Stuntboi] Kazumi für zwei der berühmtesten Glam-Gamer der Welt arbeitet. Die Rahmani-Geschwister sind gefeierte Stars, die ihre Rollen perfekt spielen, hinter ihren Fassaden jedoch streiten und zerbrechen. Während die Stadt sich auf das „Turnier der Legenden“ vorbereitet, führt Gos Identitätssuche sie/ihn in die Arme der mysteriösen ELLL – und in eine Schattenwelt illegaler Flasharenen, Cyberdrogen und einer KI, die über sich hinauswächst …
CN: Körperliche & psychische Gewalt, Alkohol- & Drogenkonsum, Rassismus, Sexismus, Stalking, Transfeindlichkeit
Platzierung im Vormonat (4)
In ihrer Terra-Ignota-Reihe zieht die Historikerin Ada Palmer eine direkte Linie von der europäischen Aufklärung bis ins 25. Jahrhundert und entwirft eine ideengeschichtlich informierte Utopie ohne Staatsgrenzen, in der Religion strenge Privatsache ist. Doch die schöne Fassade bröckelt und so tritt der geläuterte Serienmörder Mycroft Canner auch im zweiten Band als Chronist einer Zeit politischer Spannungen und sozialer Unruhen auf, die den Jahrhunderte währenden Frieden auf der Erde in Gefahr bringen. Denn während schillernde Gestalten ihre politischen Intrigen spinnen und eine machiavellische Bordellbetreiberin ein Machtmonopol errichtet, geht die wahre Gefahr von Mycrofts Schützling aus, einem magischen Kind, das die ganze Welt in eine Glaubenskrise stürzen könnte.
Platzierung im Vormonat (8)
Wer hätte das gedacht? Mark Stays Hexen-Saga um Faye Bright, die sympathische Nachwuchshexe, nimmt im dritten (und letzten) Band erst so richtig Fahrt auf. Tatsächlich geht es für den Hexenzirkel nun darum, das vom Geschehen des II. Weltkriegs bedrohte England zu retten. Die unaufdringlichen feministischen Untertöne wissen dabei besonders zu gefallen. Jugendliche und erwachsene Leser:innen kommen gleichermaßen auf ihre Kosten.
Platzierung im Vormonat (-)
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