Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Die Sagenwelt der griechischen Götter ist durchdrungen von toxischer Maskulinität, Rape Culture und sexualisierter Gewalt. In ihrem Debüt „Verdammt lebendig: Medusa“ geht Lucia Herbst mit den Olympiern ins Gericht und verhilft der nun sprech- und sprachfähigen Medusa zur Gerechtigkeit. Herbst seziert die dubiose Götterwelt aus der Sicht der sagenumwobenen Gorgone und räumt im doppelten Sinne mit den gängigen Vergewaltigungsmythen auf – und das mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und ohne effekthascherischen Male Gaze oder missbräuchlichen Misery Porn-Allüren. Götter- & Urban-Fantasy meets #MeToo vom Feinsten!
CN: Körperliche & psychische Gewalt, Misogynie, PTBS, Schlangen, Sexismus, Vergewaltigung
Platzierung im Vormonat (2)
Wie wurde die böse Königin böse? War sie immer schon so ein widerwärtiges Monster? Oder werden Monster erst von anderen Monstern gemacht? In „Im Spiegel starb ihr Herz“ greift Xenia Winterwoods das Märchen von Schneewittchen als feministische Dark Fantasy neu auf und beleuchtet die verheerenden Ausmaße von toxischer Maskulinität. Können Snow Mare, Königin Cormea und Prinz Demetrius im falschen System überhaupt gerecht und gütig handeln, oder sind emanzipatorisch selbstbestimmte Happy Ends für Frauen im patriarchalen Despotismus der Märchenwelten nichts weiter als infame Lügen? Ein gelungenes Debüt, das unter die Haut geht.
CN: Diskriminierung von Menschen mit Kleinwuchs, körperliche & psychische Gewalt, PTBS, Sexismus, Suizidalität, Vergewaltigung
Platzierung im Vormonat (3)
Wer am Rand des Feenreichs lebt, hält sich besser an die herrschenden Regeln. Das wird Farah und ihrem jüngeren Bruder von klein auf eingebläut. Doch manchmal müssen Regeln gebrochen werden, um zu überleben. Und manchmal rettet uns, was uns am meisten ängstigt. Doch um welchen Preis? Und vor allem: warum?! Dem Märchen vom Rumpelstilzchen haucht Christian Handel mit dieser atmosphärischen Adaption neues Leben ein – spannend, verstörend und zutiefst berührend!
Platzierung im Vormonat (6)
In bestechend poetischer Sprache wird in Root Leebs Roman die Phantastik wirkungsvoll genutzt, um schlaglichtartig maximal viel über Menschenleben und ihren Verlauf zu zeigen. Die drei Dialogpartner:innen, die nach ihrem Tod auf dem Meeresgrund miteinander ins Gespräch kommen und Flashbacks auf ihre menschliche Existenz durchleben, sind unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlichen Geschlechts und von unterschiedlichem Bildungsgrad – beweisen sich aber letztlich, dass ihre scheinbar so wenig vergleichbaren menschlichen Schicksale miteinander verbunden waren.
Platzierung im Vormonat (-)
Die Jägerin Danyla schießt einen Pfeil und trifft — das falsche Ziel. Der verletzte Fremde wird in ihrem Dorf wieder gesund gepflegt und ab nun liegt es in Danylas Verantwortung, ihre Schuld wiedergutzumachen. Autorx Jol Rosenberg schreibt in “Das Geflecht” über die Kolonialisierung und Ausbeutung des Planeten Rusal. Mit Danyla und einigen weiteren Perspektivfiguren lesen wir über tiefe Verbundenheit mit der Natur und darüber, wie Kommunikation zwischen völlig fremden Personen funktionieren kann oder eben: nicht. Rosenberg hat hier einen Planeten und Kulturen geschaffen, die von Seite zu Seite dichter und spannender werden.
CN: Körperliche Gewalt, Sexismus, Misogynie, Fremdenfeindlichkeit
Platzierung im Vormonat (5)
Laylay, Zeeto und Baby Mtoto reisen mit dem Motorrad durch ein in Trümmern liegendes Europa – auf der Suche nach Heilung für die Wastelandkrankheit, die Zeeto mit jedem Tag mehr zusetzt. Sie lassen die toxischen Gangs im Rheinland hinter sich und finden in Polen Laylays Mutter, die sich ein eigenes Terrorcamp auf einem Flughafen errichtet hat und Geflüchtete als Sklaven hält. „Laylayland“ ist die Fortsetzung von „Wasteland“ und eine Aneinanderreihung von Katastrophen. Doch es gibt auch Hoffnung und Menschlichkeit in der Postapokalypse …
CN: Blut, Depressionen, Epidemie, Flucht, Gefangenschaft, Gewalt
Platzierung im Vormonat (4)
Nachdem Prinzessin Shiori ihren Fluch gebrochen hatte, versprach sie ihrer sterbenden Stiefmutter, die Drachenperle ihrem wahren Besitzer zurückzugeben. Ein Unterfangen, das sie ins Drachenreich führt, zu den Vergessenen Inseln und schließlich mit Dämonen ringen lässt. Auch in Teil 2 der „Sechs Kraniche“-Dilogie jagt Elizabeth Lim ihre tapfere und kluge Heldin in atemberaubendem Tempo von einem Abenteuer ins nächste – ohne dabei je ihre Lesenden zu überfordern.
Platzierung im Vormonat (-)
Konrad Vonvalt, ein Richter des Kaisers im mittelalteresken Reich Sova, zieht durch die Lande, um das Recht zu vollstrecken. Begleitet wird er u. a. von seiner Schreiberin Helena, aus deren Sicht wir die Geschichte verfolgen. Als in einer Handelsstadt eine Adelige ermordert wird, macht sich Vonvalt daran, den Mörder zu finden. Mithilfe von Magie hat er ganz andere Mittel als die normalen Stadtwächter. Jedoch wird schnell klar, dass der Fall nicht so einfach ist, wie gedacht, sondern nur der Anfang einer großen Verschwörung. Das besondere an dem Buch ist nicht nur, dass wir quasi hautnah an Vonvalt dran sind, denn Helena ist sehr observativ, sondern auch noch in ihrer eignen Gefühlswelt. Obwohl Vonvalt sie unter die Fittiche genommen hat und großes in ihr sieht, ist sie immer noch unsicher, wo ihr Plaz im Leben ist. Eine spannende Geschichte voller Geheimnisse, starker Frauen und packenden Dialogen.
CN: Gewalt, Enthauptung, Blut, Nekromantie
Platzierung im Vormonat (-)
In „Equilon“ lotet Sarah Raich die Konsequenzen der Klimakatastrophe in einem Near Future Setting aus. Dorian, Jenna und Co. versuchen in einer feindlichen Welt mit kochenden Meeren gegen menschliche Hürden wie Klimarassismus und -klassismus zu bestehen. Nur wer den Score des Algorithmus Equilon erreicht, darf ins komfortable New Valley – die Stadt der wissenschaftlichen Elite, die über das Leben der restlichen Bevölkerung bestimmt. Doch wer oder was definiert wirklich die Kriterien des Algorithmus? „Equilon“ ist eine erschreckende und lesenswerte Zukunftsstudie über die Gefährlichkeit von kalter Wissenschaftlichkeit, White Privilege, Speziezismus und essentialisierender Menschenfeindlichkeit.
CN: Ableismus, Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, körperliche & psychische Gewalt
Platzierung im Vormonat (1)
Link liebt Bücher und Geschichten. Doch die sind in Gespinsterwald strengstens verboten und werden in der Bibliothek der tausend Geschichten aufbewahrt. Denn angeblich sind Bücher gefährlich. Aber stimmt das auch? Und was hat es mit der „besten Geschichten aller Zeiten“ auf sich? Link versucht es herauszufinden und gerät dabei von einem Abenteuer ins nächste. Dieser spannende Debütroman von Jonas Martin ist der Auftakt einer Reihe und eine Hommage an alle, die Bücher lieben.
Platzierung im Vormonat (9, 04/23)
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