Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
R. F. Kuang erzählt in ihrem Roman “Babel” von der dunklen Seite eines fiktiven Oxford der 1830er Jahre. Im Institut für Übersetzung werden hier Übersetzungen in Silberbarren graviert, die dann eine magische Wirkung entfalten und dem britischen Empire zu seiner Macht verhelfen. Doch dann sind da vier neue Studierende des Instituts, die aus den britischen Kolonien stammen und einen anderen Blick auf die Welt und das Empire haben.
Wie schon in ihrer Reihe “The Poppy War” erzählt Kuang eine Geschichte, die als fröhliche “begabte Jugendliche kommen an eine Schule”-Story beginnt, irgendwann aber einen sehr dunklen Dreh nimmt. Diesmal geht es um Sprache und Übersetzung, die Macht des Empire und die Unterdrückung der Kolonien.
CN: Alkohol- & Drogenkonsum, Blut, Emeto, Gewalt an Kindern, Klassismus, Kolonialismus, körperliche & psychische Gewalt, Misogynie, Mord, Rassismus, Sklaverei, Verlust und Tod von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (-)
Die Jägerin Danyla schießt einen Pfeil und trifft — das falsche Ziel. Der verletzte Fremde wird in ihrem Dorf wieder gesund gepflegt und ab nun liegt es in Danylas Verantwortung, ihre Schuld wiedergutzumachen. Autorx Jol Rosenberg schreibt in “Das Geflecht” über die Kolonialisierung und Ausbeutung des Planeten Rusal. Mit Danyla und einigen weiteren Perspektivfiguren lesen wir über tiefe Verbundenheit mit der Natur und darüber, wie Kommunikation zwischen völlig fremden Personen funktionieren kann oder eben: nicht. Rosenberg hat hier einen Planeten und Kulturen geschaffen, die von Seite zu Seite dichter und spannender werden.
CN: Körperliche Gewalt, Sexismus, Misogynie, Fremdenfeindlichkeit
Platzierung im Vormonat (5)
Die kleine Nevo folgt in einer nicht allzu fernen Zukunft ihrer Freundin Juma in den Wäscheschacht, in den diese beim Spielen gefallen ist. So lernt sie die von oben nach unten hierarchisierten Bewohner*innen ihres Apartmenthauses kennen: Oben leben die Reichen, unten die Armen, Nevo irgendwo dazwischen. Ein Jugendbuch, das jungen und älteren Leser*innen ein Gefühl für soziale Unterschiede und Abgrenzungsmechanismen vermittelt.
Platzierung im Vormonat (-)
In bestechend poetischer Sprache wird in Root Leebs Roman die Phantastik wirkungsvoll genutzt, um schlaglichtartig maximal viel über Menschenleben und ihren Verlauf zu zeigen. Die drei Dialogpartner:innen, die nach ihrem Tod auf dem Meeresgrund miteinander ins Gespräch kommen und Flashbacks auf ihre menschliche Existenz durchleben, sind unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlichen Geschlechts und von unterschiedlichem Bildungsgrad – beweisen sich aber letztlich, dass ihre scheinbar so wenig vergleichbaren menschlichen Schicksale miteinander verbunden waren.
Platzierung im Vormonat (4)
Laylay, Zeeto und Baby Mtoto reisen mit dem Motorrad durch ein in Trümmern liegendes Europa – auf der Suche nach Heilung für die Wastelandkrankheit, die Zeeto mit jedem Tag mehr zusetzt. Sie lassen die toxischen Gangs im Rheinland hinter sich und finden in Polen Laylays Mutter, die sich ein eigenes Terrorcamp auf einem Flughafen errichtet hat und Geflüchtete als Sklaven hält. „Laylayland“ ist die Fortsetzung von „Wasteland“ und eine Aneinanderreihung von Katastrophen. Doch es gibt auch Hoffnung und Menschlichkeit in der Postapokalypse …
CN: Blut, Depressionen, Epidemie, Flucht, Gefangenschaft, Gewalt
Platzierung im Vormonat (6)
Eine karibische Insel in den 70er Jahren. Ein Schwarzer Fischer, der gerne draußen auf dem Meer auf seiner Gitarre zupft. Und eine Meerfrau, die sich von seinem Spiel angezogen fühlt. Man kann umöglich mehr vom Plot verraten, ohne die Spannung wegzunehmen. Man muss tatsächlich in dieses Buch eintauchen, untertauchen und sich mitnehmen lassen in diese besonderen Ereignisse um den Fischer und die Meerfrau. Dieses Buch ist brutal, voll mit Rassismus und doch so voller Liebe und puren Emotionen. Sprachlich brillant nimmt einen dieses Buch mit zu einer Metamorphose der besonderen Art, einer ungenierten Liebe und lässt die Leser*innen am Ende träumend und sehnend nach dem Meer zurück.
CN: Ableismus, Alkohol- & Drogenkonsum, Blut, Body Horror, Gefangenschaft, körperliche & sexualisierte Gewalt, Sex, Rassismus, Misogynie, Hurricane mit Flut, Klassismus, Emeto
Platzierung im Vormonat (-)
Großartige phantastische Unterhaltung muss nicht immer aufregend sein. Jana Paradigi beweist das im Auftakt ihrer neuen Reihe. Mina Moningham erbt überraschend ein altes Schulhaus und muss sich plötzlich in einer ganz neuen magischen Rolle zurechtfinden. Cozy Urban Fantasy vom Feinsten, die sich wie eine warme Decke um die Lesenden legt und dabei ganz nebenbei die Grenzen von Freiheit und Gebundenheit, Einsamkeit und Familie auslotet.
CN: Schleim
Platzierung im Vormonat (-)
Der Silvester in Berlin verläuft für die Fotografin Nico und die weltberühmte Schauspielerin Ellen im wahrsten Sinne des Wortes magisch. Eine flüchtige Begegnung streift das Gefühl der Seelenverwandtschaft und einer unerklärlichen Nähe an. Doch dann verschwindet Ellen plötzlich und Nico macht sich auf die Suche nach ihr. Und damit auch zu sich selbst. Eine Identitätssuche gepaart mit unausweichlicher politischer Positionierung in der Gesellschaft, bravourös verpackt in einen Magischen Realismus quer durch die Zeit.
CN: Alkohol- & Nikotinkonsum, Blut, Body Horror, körperliche und psychische Gewalt, Krebs, Misogynie, Rassismus, sexuelle Belästigung, Stalking, Suizid, Tod
Platzierung im Vormonat (-)
Jess soll in väterlichem Auftrag die Bibliothek von Alexandria infiltrieren. Diese erhebt nicht nur Anspruch auf alle Bücher der Welt, sondern bestimmt auch mit magischen Mitteln, welche Bücher überhaupt zugänglich sind. Als Jess gemeinsam mit sehr diversen Mitstudierenden die Ausbildung an der Bibliothek beginnt, bleiben viele Fragen unbeantwortet. Meisterhaft und actionreich erzählt Rachel Caine vor dem Hintergrund eines alternativen Geschichtsverlaufs von der Macht eines Wissensmonopols.
Platzierung im Vormonat (-)
Mythologie-Nacherzählungen gibt es viele. Doch die sind meist sehr eurozentrisch. Nicht so „Rising Bahia“ von Mo Schneyder. Hier spielen die alten Göttinnen und Götter des Candomblé, einer afrokaraibischen Religion eine große Rolle. Denn im Reich des Südens, einem dystopischen Brasilien, das von einem konservativen weißen Mann regiert wird, sind sie bedroht. Ob Jul, die in Deutschland aufgewachsen ist und jetzt ein Praktikum in Salvador de Bahia macht, da helfen kann?
CN: Geburt, Blut, Tod, körperliche und psychische Gewalt
Platzierung im Vormonat (-)
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