Das sind die besten phantastischen Romane der letzten 12 Monate. Jeden ersten Freitag im Monat stellen unabhängige Literaturkritiker*innen und Phantast*innen die besten Romane des Genres vor.
Die Piratin Amina al-Sirafi lebt schon seit Jahren versteckt und im Ruhestand, als sie doch für einen Auftrag aufgespürt wird: Sie soll eine entführte junge Frau wiederfinden. Ihr bleibt also nichts anderes übrig, als zu ihrer ehemaligen Crew auf ihr Schiff zurückzukehren. Shannon Chakraborty liefert hier einen großartigen Pirat*innenroman im Indischen Ozean mit lauter seltsamen und gruseligen Phantastikelementen, einer muslimischen Protagonistin über 40 und einer diversen Crew, die einfach Spaß macht.
CN: Alkohol- & Drogenkonsum, Blut, Body Horror, Entführung, explizite Sprache, Feuer, Gefangenschaft, Klassismus, körperliche Gewalt, Krieg, Misogynie, Mord, Religionsfeindlichkeit, Sexismus, Sklaverei, Vergewaltigung
Platzierung im Vormonat (1)
In den Geschichten von Becky Chambers geht es normalerweise nicht um die Handlung. Es geht um die Figuren, ihr Denken, ihre Eigenheiten und ihre Welt. So auch in ihrer neuen Reihe „Dex und Helmling“, die jetzt auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Die Reihe spielt in einer Welt, die zur Hälfte den Menschen gehört und zur Hälfte der Natur überlassen ist. Wir verfolgen Dex, einen nicht-binären Mönch, ser sich entschließt, mit einem Teewagen über die Dörfer zu reisen und den Menschen dort die Gelegenheit zu geben, die Ruhe zu genießen. „Ein Psalm für die wild Schweifenden“ erzählt eine einfache kleine Geschichte ohne Konflikte oder Gefahren. Es überzeugt mit schöner Sprache, einem Blick für Details, faszinierendem Worldbuilding, komplexen Figuren und einem extrem spannenden und wichtigen Perspektivwechsel.
CN: Sklaverei, Spinnen
Platzierung im Vormonat (6)
Biopunk in Berlin: Außenseiter*innen besetzen und begrünen Dächer. Biohackerin Aruke lebt auf einem solch grünen Dach und modifiziert Organismen für das Institut für Synthetische Biologie, das mit seiner Forschung die Welt verändert. Als Kind war sie Teil eines Experiments im Amazonas, der von den Menschen zerstört und als Synthetisches Biom neu erschaffen wurde. Als junge Erwachsene sucht sie nach Antworten und hofft, diese bei der Mega Celebrity Riva Lux zu finden. Die teilt ihr Bewusstsein mit Tieren und leidet unter Solastalgie – einem von der Klimakrise verursachten Verlustgefühl. Ihre Vergangenheit ist mit Arukes verbunden und gemeinsam entdecken sie etwas, das die Zukunft prägen wird …
CN: Alkohol- & Drogenkonsum, Body Horror (Experimente an Menschen & Tieren), körperliche & psychische Gewalt, Rassismus, Solastalgie, Tod
Platzierung im Vormonat (2)
Seiner Polycule zuliebe hat Leyo sein Leben als Schmuggler aufgegeben und fristet nun sein Dasein auf Ranun, einem Planeten, der durch den Abbau von Vicarium zerstört worden ist. Doch Leyos ADHS-Gehirn beginnt schnell sich zu langweilen. Da kommt ihm ein letzter, lukrativer Coup gerade recht. Aber natürlich geht der gnadenlos schief und Leyo sieht sich gezwungen, die Umweltministerin zu entführen und einen Gangsterboss zu bespitzeln. Grandioser Auftakt einer Space Western Reihe, an der nicht nur Genre-Fans ihre Freude haben werden!
CN: Alkohol- & Drogenkonsum, Entführung, Fatshaming (internalisiert), Feuer, Gefangenschaft, Gewalt gegen Schutzbefohlene (erwähnt), körperliche Gewalt, Naturkatastrophe, Sex, Vernachlässigung (erwähnt), Xenophobie (erwähnt)
Platzierung im Vormonat (3)
Die Fünf Federn stürzen die Lesenden sofort hinein ins Geschehen, dabei sind Setting und Ereignisse so bildhaft geschrieben, dass sie sich direkt in der Geschichte wähnen können. Trotz dass das Buch von 5 Schreibenden verfasst wurde, sind kaum Übergänge zu spüren während des Lesens. Das ärmliche Leben geprägt durch die harte Arbeit in der schlammigen Mine steht in krassem Gegensatz zum Wohlstand der in den oberen Bereichen lebenden Magier und Adeligen und so hat fast jede der Hauptfiguren einen anderen Beweggrund für ihr Agieren. Die Minen der Macht ist ein Buch voller rasanter, manchmal recht gruseliger Entwicklungen und sorgt dafür, dass die Lesenden es kaum aus der Hand legen werden können.
Platzierung im Vormonat (8, 1/24)
In einer Stadt, in der fast niemand mehr richtig schläft: Blumen gehen viral und versetzen das Militär in Panik. Menschen teilen Blumen-Memes, überall tauchen Blumen-Graffiti auf, Menschen demonstrieren für und gegen Blumen. Währenddessen tritt Eva in Lous Leben und wird Mitglied in der Arbeitsgruppe für Bioakustik. Sie entdecken in den Toilettenspülkästen der PharmaCorp-Klinik fragile Blumenwesen, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat. Gemeinsam erforschen Lou und Eva die fremdartigen Lebensformen und werden Teil eines wundersamen Ereignisses: der Konvergenz zweier Welten. Sven Haupt hat einen wahrhaft außergewöhnlichen, weirden Cyberpunkroman geschrieben, der von der Macht von Bildern in einer Welt vollständiger Vernetzung handelt und zum Nachdenken über die Natur des Universums und des Bewusstseins anregt …
Platzierung im Vormonat (4)
Maali Almeida ist tot und hat noch sieben Tage Zeit, als Geist seinen eigenen Mord aufzuklären. Shehan Karunatilaka lässt die Leser*innen durch die Perspektive eines zynischen, schwulen und dem Glücksspiel verfallenen Kriegsfotografen die 1980er des mehrere Jahrzehnte langen Bürgerkriegs in Sri Lanka erleben. Brutal ehrlich kommen tote und lebende Friedensaktivist*innen, Rebellen, korrupte Polizisten, Kriegsprofiteure und Politiker mit blutigen Westen zu Wort. Ein Murder Mystery vermengt mit mythologischen Elementen, realsatirischem Flair und schwindelerregender Orientierungs- und Hilflosigkeit zu einer Zeit, in der niemand zu den ‚Guten‘ zählt. Denn „Nicht das Böse sollten wir fürchten, sondern die Geschöpfe mit Macht, die im eigenen Interesse handeln. Bei denen muss es uns kalt den Rücken hinunterlaufen. Wie sonst ist der Wahnsinn der Welt zu erklären?“
CN: Alkohol-, Drogen- und Tabakkonsum, Blut, Body Horror (Verwandlung), Feuer, Folter, Geister, Glücksspiel, körperliche & psychische Gewalt, Krieg, Mord, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Sex, sexualisierte Gewalt, Suizid, Waffen
Platzierung im Vormonat (-)
R. F. Kuang erzählt in ihrem Roman “Babel” von der dunklen Seite eines fiktiven Oxford der 1830er Jahre. Im Institut für Übersetzung werden hier Übersetzungen in Silberbarren graviert, die dann eine magische Wirkung entfalten und dem britischen Empire zu seiner Macht verhelfen. Doch dann sind da vier neue Studierende des Instituts, die aus den britischen Kolonien stammen und einen anderen Blick auf die Welt und das Empire haben.
Wie schon in ihrer Reihe “The Poppy War” erzählt Kuang eine Geschichte, die als fröhliche “begabte Jugendliche kommen an eine Schule”-Story beginnt, irgendwann aber einen sehr dunklen Dreh nimmt. Diesmal geht es um Sprache und Übersetzung, die Macht des Empire und die Unterdrückung der Kolonien.
CN: Alkohol- & Drogenkonsum, Blut, Emeto, Gewalt an Kindern, Klassismus, Kolonialismus, körperliche & psychische Gewalt, Misogynie, Mord, Rassismus, Sklaverei, Verlust und Tod von Familienmitgliedern
Platzierung im Vormonat (7)
Noah Stoffers präsentiert uns einen phantastischen queeren Coming-of-Age-Roman, der gekonnt die Balance zwischen Selbstfindung, Dark Academia und Horror hält. Allein die Verortung auf einer schottischen Insel, die Stoffers sehr poetisch beschreibt, und das Setting in einem altehrwürdigen College macht bewusst in Kontrast zur digitalen gesetzten Welt der Protagonist*innen einfach Spaß.
CN: Blut, Body Horror, körperliche Gewalt, Mobbing, Rassismus, Sex, Tod, Transfeindlichkeit,
Platzierung im Vormonat (-)
Die Geschichte des charmanten Fae namens Bast – während eines einzigen Tages, in dem ihm Unerwartetes zustößt, als er beim Verhandeln “Gibst du mir, geb ich Dir” ausnahmsweise einmal seinem Herzen statt dem Verstand folgt. Eine Geschichte aus der bekannten “Königsmörder-Chronik”, angelehnt an die Novelle “Der Blitzbaum”.
CN: Alkoholkonsum, Blut, Gewalt an Kindern, häusliche & körperliche Gewalt
Platzierung im Vormonat (9)
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